Die wandelnde Fabrik

Wenn ich auf den Clodeckel steige und aus dem Häuslfenster schaue, liegt sie vor mir, die alte Fabrik. Sie ist nicht groß, nur eingeschossig, schönbrunngelb, ein schmaler Schornstein, der wie ein hinniger Beidl dahängt, steht einsam darauf. Schon lange ist die Fabrik verlassen, nur mehr Ratten und Katzen verrichten darin ihr Geschäft.
Sooft ich am Clodeckel stehe, mit letztem Atem das Fenster aufreisse und gierig die Frischluft einsauge, ist die alte Fabrik für mich die letzte Bastion der Menschlichkeit. Dahinter drängen sich bereits die Betonbunker, dicht an dicht, voll Zombies. Näher und näher kommt das Grauen der Zivilisation, will mich erdrücken.
Gestern beobachtete ich einen Herren in Anzug, der zuerst Steine auf die Fenster warf und dann das verschlossene Fabrikstor eintreten wollte. Ich fragte ihn: „Brauchst einen Schlafplatz?“ Er antwortete: „Leck mich.“ Heute klettern auf der alten Fabrik ein paar Bauarbeiter herum, zerlegen das Blechdach, springen nicht grad zimperlich mit dem Gebäude um. Werden sie es niedermachen? Wird mir ein Betonklotz vors Clofenster geknallt?
Man wird sehen. Vielleicht werde ich die Fabrik besetzen, wenn sie mit den Maschinen kommen, vielleicht werden sie mich gar nicht bemerken und vielleicht werde ich mit der Fabrik vergehen.

Ich aas:
1 Brot
1 Liptauer
1 Käse
1 Kronprinz Rudolf

PS: auch mein Bildschirm vergeht.

Rendezvous mit Nachbarins Tod

Es tat gut, den Schlaf nachzuholen. Gestern als die Sonne schon hoch stand (wenn man unter diesen Umständen von „hoch“ sprechen kann), erwachte ich quietschvergnügt. Grunzte, schlapperte, sapperte, suhlte mich in der verschlammten Bettwäsche. Der schlafraubende Auftrag war ausgeführt, es gab nichts zu tun. In Zeitlupe erhob ich mich, sackte gleich wieder zurück. Pochende Kopfschmerzen, ausreichend Schlaf nicht mehr gewöhnt. Schlief nochmal ein, schreckte nach kurzer Zeit hoch. Stand doch noch auf.
Mein Blick war ungewöhnlich scharf. Sah Dinge, die die letzten Wochen meiner Aufmerksamkeit völlig entgangen waren. Zum Beispiel der aufgerissene und achtlos zur Seite gestoßene Pizzakarton, aus dem die Pilze nur so hervoquollen. Gab ihm einen Tritt und verfrachtete ihn so hinters Bett. Zog mich an, so gut es ging, und wankte ins Kaffeehaus. Frühstück.

Am Abend hockte ich bei der Nachbarin. Sie sah fern. Ich verabscheue Fernsehen zu tiefst, doch sie sagte:
„Bleib hier, Matla. Spielt einen schönen Film. Rendezvouz mit Joe Black.“
Ich hatte keine Ahnung, was das war, wußte nicht auf was ich mich einließ. Doch aus irgendeinem Grunde zog mich die Werbung in ihrem Bann, ich blieb. Rutschte ganz nah zur Röhre, konzentrierte mich, versuchte jedes auch noch so kleine Detail wahrzunehmen, zu speichern. Machte das auch beim Film – die Werbung war besser.
Rendezvous mit Joe Black. Ein unbeholfener, saumieser, blonder Schauspieler, abgelecktes Arschgesicht, und eine Schauspielerin, der ich am liebsten die Fresse poliert hätte – sie sah aus, als würde sie jeden Moment in einem Heulkrampf zusammenbrechen.

Danach hatte ich mit der Nachbarin viel Freude. Uns beide machte die Vorstellung an, mit dem Tod zu ficken.

Ich aas:
1 Kronprinz Rudolf
1 Bresso
2 Brot

Schlafgefühl ohne Zeitmangel oder vice versa

Bis morgen Früh 8 Uhr habe ich Zeit die Scheißkugelschreiber fertigzubauen. Morgen Früh um 8 Uhr startet die große Kampagne mit diesen verdammten Dingern. Ich habe noch so ungefähr 9 Stunden Zeit. Ich mache durch. Ich MUSS durchmachen. Wenn ich nicht pünktlich liefere, kommen sie und killen mich. So läuft das, wenn man in der Kugelschreiberbranche arbeitet. Das Geld ist gut, aber es gibt keine Krankenversicherung, keinen Unfallschutz und wenn dich der Auftraggeber umbringt, hilft dir auch keiner.
Ich leide an akutem Schlafmangel, mein Zeitgefühl ist dahin. Ich glaub, ich war heute einkaufen – bin mir aber nicht sicher. Wenn man wie ich keinen Wert auf Nahrung legt und jahrein jahraus den gleichen Scheißdreck frißt, kann man auch als halbverwerreckter Zombie im Delirium einkaufen gehen und man wird doch nicht ein Stück vergessen mitzunehmen.

Also ich aas jetzt (warum meldest du dich, Hunger, erst jetzt?):
1 Bresso
1 Brot
1 Käse
1 Kronprinz Rudolf – die heurige Ernte muß wohl sehr ertragreich gewesen sein – es gibt sie zuhauf!

PS: sieh mal wie das Foto vom eiskalten Werkstattlicht schön ausgeleuchtet wird!

Segeltörn auf einem Brett vorm Kopf

Die letzten Tage und Nächte habe ich gearbeitet und heute morgen um 8:00 Uhr wars plötzlich aus. Aus mit der Arbeit. Den ersten Schub an Kugelschreibern habe ich geliefert. Und weißt du, was seltsam war? Anstatt daß ich heilsamen Schlaf nachholte, saß ich bis jetzt mit krummem Rücken vor der stillen Werkbank und starrte meine Filzpatschen an. Es ist komisch, wenn etwas plötzlich weg ist, das dich selbst in deinen Träumen beschäftigt hat…. das ist so, als würdest du eines Tages aufwachen und deine Geschlechtsteile wären spurlos verschwunden. Einfach weg, und du hast für diese Lücke keine neue Füllung.

Aber egal, das Telefon wird bald wieder läuten und dann heißts soundsoviele Kugelschreiber nach….. ach Scheiß drauf! Nächstes Jahr im Herbst veranstalte ich einen Segeltörn irgendwo im Mittelmeer. Du weißt ja, ich segle gerne (Törnbericht Golf von Korinth, Törnbericht Kykladen).

Kommst du mit segeln?

Gesucht (mehr tot als lebendig): wer hat ein dickes Fell, bezahlt die Chartergebühr, ist trinkfest, braucht keine Bequemlichkeit, wenig Körperpflege, singt gut, mag Schlümpfe und…

Hmmmm…. ich glaub, ich werd mein Glück in einer Singelbörse versuchen.

Ich aas:
1 leeren Tisch

Der Kronprinz ohne Hirn und Adel

In Kürze werde ich einem Attentat zum Opfer fallen. Die Nachbarschaft ist ein Krisenherd, ein Pulverfass, die Konflikte spitzen sich zu.
Erinnerst du dich trotz deiner Demenz an den Stoßstangenfetischisten? Das war der seltsame Mensch, der mir durch Lügen und falsche Zeugen eine Strafe besorgte. Das war vor knapp einem Jahr und seither passieren seltsame Dinge mit meinem Auto. Regelmäßig neue Kratzer im Lack, Zigarettenstummel auf der Windschutzscheibe und Schrauben im Reifen. Die Kratzer sind mir scheißegal, die verbrannten Scheibenwischer ebenfalls, nur die Reifen… das ist blöd. Ein Auto fährt auch mit Kratzern und mit kaputten Wischern, doch mit einem Platten fahren… das geht nicht.
Genauso wie ich damals auf die dummen Briefe des Stoßstangenfetischisten reagiert habe, reagiere ich nun auf seine Aktionen gegen mich. Nämlich überhaupt nicht. Das ist Kindergarten, weißt du? Wo bleibt da sein Stolz, sein Selbstwertgefühl als Mann, seine Ehre?
Seit einer Woche dürfte dieses Waserl wohl ein neues Opfer haben. Aber eines, das wie er ist! Das Auto des Stoßstangenfetischisten hatte vor ein paar Tagen einen zerquetschten Cremekuchen auf der Windschutzscheibe kleben und heute, als ich zu Billa einkaufen latschte, sah ich eine mit Lackstift gemalte Karrikatur auf seinem Auto. Das Gesicht eines Schweines. Was mußte ich lachen! So sieht er tatsächlich aus! Ich hoffe, dem Typen ist klar, das ich da nicht meine künstlerischen Finger im Spiel habe.

Auf dem Nachhauseweg kam er mir entgegen. Und da merkte ich einmal mehr, was er für ein Mensch ist. Ich sah ihm in die Augen, fixierte ihn und er, was tat er? Er wich meinem Blick aus, bekam eine rote Birne und machte einen großen Bogen um mich. So handelt kein Mann, nur Menschen ohne Ehre handeln so.
Ich kann mich also auch weiterhin auf Überraschungen freuen.

Ich aas:
1 Bresso
1 Kronprinz Rudolf Apferl – die vielen Kronprinz Rudolf Äpfel der letzten Wochen machen mich stark und klug – meine Zähne wachsen wieder
1 Brot
1 Dillsenf
1 Käse

Seltsames Wesen in poetischer Umlaufbahn

Seltsames Wesen in der Umlaufbahn

Seltsam.
Wie ein kleiner Satellit schwebe ich
durch meine Wohnung,
durch schwarze Leere kalt,
ich sehe Sterne.

Seltsam.
Das Wochenende durchgearbeitet,
wenig geschlafen,
nichts erdacht,
Verstand erfroren.

Seltsam.
Meine Arbeit.
Baue Dinge da,
weiß nicht für wen,
weiß nicht für was.

Seltsam.
Zuhause tu ich das,
in aller Einsamkeit,
Instruktionen übers Telefon,
Geld per Einschreiben.

Seltsam.
Wofür?

Ich aas, oh seltsames Wesen:
1 seltsames Ding
1 seltsameres Ding
1 seltsamstes Ding

Gute Mundmatschmischung

Bei meiner Nahrungseinnahme hüfpen mir ständig ungustiöse Teile derselbigen aus dem Mund. Ich denke, ich bin zu hektisch. Ich stopfe mir zuviel auf einmal ins Maul. Und dann, genau dann, fallen mir so viele Dinge ein, die ich gerade sagen wollte. Meine nähere Umgebung sieht nach dem Mittagessen aus, als wäre es explodiert.
Der Chef des Nachtcafes, in dem ich auch gestern wieder war, schleicht sich, wenn ich esse, von hinten an und sobald mir das guteingespeichelte Futter aus dem Gesicht fällt, springt er vor und fragt: „Schmeckts?“ Und dabei grinst er mich stets mit Haß in den Augen an. Klar, er muß es ja putzen.
Ich hab ihm schon so oft gesagt, er soll das lassen! Das ist ihm egal, aber zumindest sucht er nach seinem Spruch sofort das Weite, denn er ist wäre genau der, dem ich meine Einfälle mit vollem Mund erzählen würde. Und er weiß das.

Ich aas:
1 Mischung, die guten Matsch im Mund ergibt

Pädagogischer Umgang mit der Schweinegrippe

Dieser Blog entwickelt sich immer mehr zu einer Plattform für Literaten. Erst gestern wurden hier zwei außerordentlich intelligente Gedichte gepostet:

Doch nicht nur Poesie soll hier das Thema sein, nein, auch Aktuelles will beleuchtet werden. Und was bietet sich dafür an? Genau, die Schweinegrippe.
Wir Erwachsenen kennen ja bereits die volle Wahrheit, wir wissen was eigentlich hinter dieser großaufgezogenen Werbekampagne steckt.  Aber wie siehts mit unseren Kindern aus? Ist es denen auch klar, warum man überall mit dem Thema bombardiert wird, wir uns aber dennoch nicht impfen lassen? Hast du es ihnen erklärt, worum es da geht? Hast du ihnen jegliche Unsicherheit genommen? Wenn nicht, dann kann ich dir ein Schauspiel von Meister Johannes Gimp empfehlen, das auf pädagogisch wertvolle Art und Weise dieses Thema kindgerecht aufgreift:
Kasperl und die Schweinchengrippe

Und ich aas:
3 Tomate
1 Apferl
1 Bojar
1 Käse
1 Senf

Und jetzt c’est la vie

Und jetzt c’est la vie

Ich war im Rattenloch und jetzt bin ich wieder zuhause.
Der Autoreifen war kaputt und jetzt hat er wieder Luft.
Die Nachbarin wäre fast krepiert und jetzt wird sie wieder gesund.
Das Mittagessen war kompliziert und jetzt ist mir schlecht.

Der Teller war schön verziert und jetzt liegt alles im Mist.
Die Gurke war mit Liptauer gefüllt und jetzt ist sie leer.
Der Geschmack gab nichts her und dann kam der Senf.
Zuerst kam der Senf und dann der Brechreiz.
Und jetzt jetzt und dann dann.

Mein heutiges Gedicht zum heutigen Gericht.