Im Morituri-Beisl

Düster ist sie wahrlich, die Stimmung im Morituri-Beisl. Dicker Samt, schwarz und muffig an den Wänden, knarrende Dielen, es riecht nach Vergangenheit. Nur noch Grablichter sind die flackernden Lampen, ja, Johannes, der Strom zu schwach, um den allesbedeckenden Grind des Rauches aus einem Jahrhundert durchdringen zu können. Die Möbel vom Wurm zerfressen, unbeholfen repariert, kaum ein Jahr werden’s wohl noch überstehen. Der Ölofen zu altersschwach, um Wirkung zeigen zu können, das Scheißhaus, eiskalt mit tropfendem Hahn, dient gleichzeitig als Kühlraum, der Wirt ist an die achzig Jahre alt, seine Glatze genauso schimmelig wie die zugigen Fensterrahmen. Sein Hund ist vor vierundreißig Jahren jämmerlich an einem Hühnerknochen erstickt. Es ist das Stammlokal der Totengräber.
In der Ecke sitzt Tag für Tag die dürre Alte. Unterm Tisch ihre Ratte, nur noch Haut und Knochen, kleines arrogantes Miststück. Und sie, die Alte, käsebleich, eine Perücke mit angesentem Kunsthaar, übersät mit unzähligen Blutergüssen, sie macht’s nicht mehr lang, trinkt nur koffeinfreien Kaffee, die Schatten der buckligen Totengräber wiegen schwer auf ihr. Und sie grinst sie an.
Der dicke, unsympathische Beamte vom nichtsnutzigen Magistrat, redet nichts, schaut nur und nimmt zum Menü, meist das Einser, zwei, drei Vierterl Weißen. Raucht und geht ab. Verabschiedet sich mit Handkuss und Hut, die Alte mag ihn nicht.
An den Wänden verblichene Fotos, man kennt sie nicht, die Leute. Fette, rotgesichtige Soldaten aus dem letzten Jahrhundert, mit bleichen, schwindsüchtigen Huren, singen besoffen zum Akkordeon, während ihnen der Schweiß in die Augen tropft, alle tot. Dann sind die Totengräber gekommen.
Die Kaffeemaschine war schon immer der Glanz des Morituri-Beisl. Unbekannte Technologie, ohne Marke, sie ist laut, sie dampft und zischt. Kaffee hilft, wenn man weiterleben muss. Und der Wirt weiß das.
Die Mutter kocht. Sie sollte schon längst gestorben sein, aber die Totengräber lassen sie nicht gehen. Seit über hundert Jahren die gleiche Rezeptur. Tritt ein und iss wie zu Kaisers Zeiten!
Als die Totengräber aufgetaucht sind, ist Leben ins Morituri-Beisl gekommen. Ein Leben, von dem keiner etwas wissen wollte. Goldzähne, Schwielen, der Geruch des Staubes, zu dem alles zerfällt. Der Dreck, aus dem die Menschen sind.
Das, was Raum und Zeit im Morituri-Beisl zusammenhält, ist die Pendeluhr. Sie tickt, unaufhörlich, unauslöschbar, unendlich weiter, langsam zwar, eine Sekunde ist eine Stunde im Morituri-Beisl, jeder Schlag resoniert in den Wurzeln der Erde, läßt Gottes Mark erbeben, man könnte kotzen. Sieh in die Pendeluhr und erstarre in der Zeit! Vergiss deine Seele, lass es die Totengräber tun! Morituri te salutant!

Ich aas:
den Krapfen, der gegessen sein wird.

 

Tot in der U-Bahn

Also ich hatte ein witziges Erlebnis. Ich dachte, mein Körper wäre schon irgendwo verstorben und ich würde als ruheloser Geist durch die Wiener Strassenbahnen wandeln! Ja!
Das war am Freitag. Ich schleppte mich nach der Arbeit in der Anstalt zur Station, sprang in die nächste Bim und stellte mich an die Wand… ich stelle mich in öffentlichen Verkehrsmitteln immer an die Wand. Und: ich setze mich niemals hin. Niemals! Ich möchte nur mit Menschen zusammensitzen, die ich mag… ich hasse die Menschen… aber darum geht’s hier nicht.
Ich stehe also an der Wand – es war nicht viel los – auf einmal steigt eine alte Frau ein. Die muss so alt gewesen sein, dass sie den Urknall miterlebt hat. Obwohl ich mit iStöpseln in den Ohren und mit einem Buch aus echtem Papier den Blick gesenkt hatte, spürte ich sofort, dass sie auf mich zukommen würde. Und tatsächlich. Sie stellte sich mit ihrem Gehstock und ihrem Plastiksackerl neben mich und begann, Dinge zu fragen… sie war ziemlich verwirrt. Sie wollte bis zu der Strassenbahnstation fahren, bei der eine andere Strassenbahn rechtwinkelig bis zum Sanatorium fährt. Ich versuchte herauszufinden, welche Strassenbahn sie meinte, welche Station, welches Sanatorium. Sie hatte keine Ahnung. Während ich überlegte, begann sie die umstehenden Leute das Gleiche zu fragen. Und da fiel es mir auf! Die reagierten gar nicht richtig! Die standen nur da! Ein paar verzogen das Gesicht, als ob ihnen ein zwickender Furz im Arsch stecken würde, andere machten nur ein Grunzgeräusch und drehten sich weg! Ich begann noch mal mit der Alten zu reden, dann fragte ich die Umstehenden… keine Reaktionen! Ich blickte der Alten ganz tief in die Augen und sagte etwas beunruhigt:
„Sind wir Geister, Tantchen?“
Da lachte sie.
Bei der nächsten Station stieg ich mit ihr aus. Wir trafen auf einen anderen Geist, der wusste, wohin sie wollte.
Den Rest des Weges schwebte ich zu Fuß. Die Lebenden können mich mal.

Ich aas:
1 Kornspitz – naja… hatte zu wenig Bargeld dabei

Produktinformationen für geile Omas

HA! Ich wußte es! Jetzt habe ich den Beweis!

Ich war immer der Meinung, daß Werbung bei mir nicht wirkt. Sie prallt an mir ab. Und das hat NICHTS damit zu tun, daß ich Werbung nicht wahrnehme. Ja gut, ich gehöre zu den Menschen, die den Radio abdrehen, wenn die Werbung kommt, und den Fernseher drehe ich sowieso nur auf, wenn ich Besuch habe. Früher hatte ich auch noch den Mut, die Augen zusammenzukneifen, wenn ich während des Fahrens die Ansätze eines Plakates erhaschte – aber nach ein paar Auffahrunfällen, Randsteinhüpfern und Anzeigen wegen versuchten Mordes habe ich das gelassen.

Doch letztens, als ich grad am Wichsen der Schuhe war, konnte ich mich nicht losreißen, um das Radio abzudrehen, als die „Produktinformationen“ kamen. Und was hörte ich da? Eine Werbung für Werbung im Radio! Kennst du das? Zuerst singt einer ein paarmal ein Kinderlied und nach einigen anderen Werbespots, stellt er plötzlich die Frage, welches Kinderlied mir spontan einfällt.
Mir ist kein einziges Kinderlied eingefallen.

Das kann VIELLEICHT damit zu tun haben, daß ich da grad eine Zeitschrift mit devoten Omas (mein Verhältnis zu alten Weibern ist geprägt von Haß und Geilheit) vor der Nase hatte, aber das glaube ich nicht. Denn so leicht lasse ich mich nicht beeinflussen.

Ich war beim Herrn der Kugelschreiber und aas:
1 Semmerl mit Käseleberkäseleberkäse mit Pfefferoni
1 Apferl aus Afrika