Lateinische Geiselhaft

Die Nachbarin und ich waren zu Gast bei einer Familie… hm… erst jetzt fällt mir auf, dass das eigentlich reichlich kurios erscheinen mag! Die Nachbarin? Ich? Bei einer Familie? Ich meine, die Nachbarin und ich bei einer Familie als Geiselnehmer, gut… aber als Gäste? Nun, ja, wie dem auch sei.
Jedenfalls das eine Kind in dieser Familie war gerade beim Lateinlernen. Latein! Und da kam mir die Erinnerung, dass auch ich einst in einer Schule in Geiselhaft war, wo ich das Latein kennen lernen musste. Mir fielen wieder die vielen Gemeinheiten ein! Wie hießen nochmal diese römischen Schreiberlinge? Frigil, Cadillo? Und diese dummen Wörter! Wie war das? Ja: „atque“ oder so hieß zum Beispiel: „um, zu, an, bei, mit, über, obwohl, durch, aber, warum, und nicht, mittels, sowie, auch“, aber nur wenn darauf ein Wort im Oblativ folgte. Ach, scheiß der Hund drauf! Ich werde jetzt noch wütend, wenn ich daran denke!
Für mich war Latein immer eine Sprache, die Tod und Verderben verhieß! Sind nicht alle lateinischen Muttersprachler tot? Mein Verdacht war ja immer, dass sich die Lateiner gegenseitig zerfleischt haben, einfach, weil ihre Sprache zu unpräzise war. Beispiel: ein Feldherr ruft auf der Walstatt den Feinden entgegen: „Seid ihr für oder gegen uns?“ Und die Feinde wollten eigentlich sagen: „Wir sind für euch!“ Aber wie es so ist mit dem Lateinischen, konnte es auch heißen „Wir sind/stehen über euch“, „Wir bleiben ohne euch/wollen ohne euch bleiben“, „(Reingefallen!) Wir sind/stehen hinter euch!“.

Ich aas Reste:
2 Brote mit Apfel und Schimmelkäse

Für und gegen Latein

Gehirniges Gepulvertes

Johannes, du hättest genau das tun sollen: erst im Juni wieder kommen. Denn wenn ich ehrlich bin, habe ich gestern mit dieser aufwendigen Geschichte bereits für Monate mein ganzes Pulver verschossen. Tja, aber ich bin ja bekanntlich ein Mann der Tat. Es gibt nichts, was ich nicht mit Gehirn oder -walt lösen könnte. Versuchen wir es zunächst mit Gehirn:
Die Neujahrsvorsätze habe ich mir für heuer geschickt ausgedenkt. Vorsätze nämlich, die zuerst von anderen erfüllt werden müssen, damit ich meine eigenen erledigen kann. Beispiel: „Sobald der Weltfriede eintritt, nehme ich mir für 2017 vor, dass ich zum Veganer und Grünentreetrinker werde.“ Net deppat, was? Ganz schön gefinkelt!
Gut, heute sparen wir uns die Gewalt, denn mit Gehirn hat’s funktioniert.

Ich aas:
2 Plastikbehälter mit Chinafutter

Gehirn und -walt

Schweinsäugige Sternpigmentierte

Die heiligen drei Könige waren da. Ich bestehe ja darauf, dass sie jedes Jahr bei mir aufkreuzen. Denn nichts ist herzerwärmender als liedersingende Kinder. Darum bin ich auch sehr spendabel. Habe ihnen heuer zum Beispiel alle Süßigkeiten, die von Halloween übrig geblieben waren, gegeben… aber erst nach meinem Lachkrampf… ja… die Nachbarin fand das sehr peinlich, aber ich konnte mich nicht halten.
In freudiger Erwartung öffnete ich den Sternsingern die Türe – ich hatte mich auch ordentlich gekleidet und sogar Socken an. Das Erste, was ich sah, waren zwei kleine, dicke Mädchen, die wie Aufziehmäuse um die Begleitperson wuselten und dabei etwas völlig Unverständliches sangen. Die mit goldenen Kronen am Kopf befestigten Kapuzen waren ihnen schlicht und einfach viel zu klein. Ihre Gesichter waren derart zusammengequetscht, dass sie eher wie schweinsäugige Fische aussahen als wie stolze Königinnen!
Der dürre Bursche, der den Vollständighautpigmentierten mimte, indem er sich unter die Augen jeweils zwei fingerbreit Tarnfarbe geschmiert hatte, hing dagegen in kompletter Agonie an seinem Sternenstab, so als würde er in sich zusammenfallen, wenn er ihn nur los ließe, und sprach den Liedtext mit seiner tiefen, pubertären Stimme, während er krampfhaft versuchte, die Augen offen zu halten – immer ein, zwei Wörter hinter dem Gesang der Mädchen.
Die grinsende Begleitperson zuckte ob dieser Peinlichkeit nur entschuldigend mit den Schultern, musste aber auch bald den beiden Mädchen nachsetzen, die bereits vor dem Ende des Liedes zur nächsten Tür liefen.
Der Dürre blieb noch wankend vor der Nachbarin und mir stehen und hielt uns müde eine Sparbüchse entgegen. Die Nachbarin steckte einen Geldschein rein und ich bot ihm mein Sackerl mit den Halloweensüßigkeiten an. Er brauchte ungewöhnlich lange… wohl um zu entscheiden, ob es die Mühe wert war, seine Stellung für die Süßigkeiten zu verändern. Mir schossen ja schon seit Sekunden Tränen aus den Augen, weil ich soviel lachen musste, und jetzt war ich gespannt, ob der Dürre zusammenbrechen würde, wenn er sein Gewicht verlagerte. Doch er schaffte es… und schlapfte schlaftrunken von hinnen.

Und ich aas:
1 Büchse Sushi

Dirty new year

Missverstandener Demonstrationsscheißer

Ich bin ja der am meist missverstandene Mann dieser Welt. Nicht nur, dass jetzt auch  schon die liebe Brunzhilde glaubt, ich verbreite Lügen hier in meinem Misthaufenblog, nein, auch sonst läuft es nicht so gut mit meiner Reputation. Erst gestern ist es wieder passiert! Meine guten Absichten wurden falsch gedeutet!
Beispiel 1: ich stand bei Billa an der Kassa. Vor mir so ein alter Beidl (mindestens so alt und Beidl wie ich selbst) knallt eine große Packung Klopapier, eine noch größere Packung Küchenrollen und dreimal hundert Taschentücher aufs Förderband. Und eine Tafel Schokolade. Ich lächle und frage: „Durchfall, gell? Haben Sie auch an das Druckerpapier gedacht?“ Er schaut mich nur mit einem schön wienerischen „Gusch!“ böse an. Warum nur? Ich wollte nur höflich sein! In meiner Liebenswürdigkeit wusste ich natürlich gleich, was da los war. Ist es mir doch oft genug selbst passiert: die Scheißerei bekommen, zuerst ging das Klopapier aus, dann die Küchenrollen und schließlich die Taschentücher. Zuletzt schabt man sich notdürftig mit dem Druckerpapier die Scheiße vom Arsch. Ich wollte nur helfen.
Beispiel 2: irgendwie kam ich mit einer alten Schachtel über Demonstrationen ins Gespräch. „Man kann gar nicht oft genug demonstrieren“ war meine Aussage. Wogegen ich denn demonstrieren würde, fragte sie mich. „Gegen alles mögliche. Zum Beispiel gegen Mundgeruch.“ Ich wollte lustig sein. Aber nein. Ich wurde gleich von ihr angefahren: „Aber die Menschen mit Mundgeruch können ja gar nichts dafür! Sie Rassist!“ Jaja, da wird mir gleich unterstellt, ich wäre Rassist. Ich musste der Alten erklären, dass ich nicht gegen Menschen mit Mundgeruch, sondern gegen Mundgeruch überhaupt demonstrieren wollte. Sie verstand das aber bis zuletzt nicht.

Ich aas – und ich hoffe, das versteht jeder!

1 Mohnflesserl mit EKG

Demonstrationsscheißereimißverstandener

 

Hirn-Mund-Polarität

Mit dem Alter fällt mir das Sprechen immer schwerer. Ich muss mich so darauf konzentrieren, nicht das zu sagen, was ich denke.
Klassisches Beispiel:
Mensch: „Guten Tag, Herr Matla. Darf ich mich vorstellen? Ich bin hier der Geschäftsführer.“
Matlas Mund: „Schön.“
Matlas Gehirn: „Du bist ein stinkendes Stück Scheiße.“
Oder
Mensch: „Suchen Sie etwas Bestimmtes? Kann ich Ihnen helfen?“
Matlas Mund: „I schau nur.“
Matlas Gehirn: „Jo. Derf I da ane in dei blede Pappn haun?“

Also… quasi… die getrennte Bedienung von Gehirn und Mund wird immer schwieriger. Was soll ich tun? Auf das Denken verzichten? Oder auf das Sprechen? Oder soll ich etwa gar zuerst denken und dann sprechen? Oder umgekehrt?

Ich aas mit Matlas Mund:
1 Dose Himbeer Augen

Mund-Gehirn-Polarität

Krankes Sparschwein mit Vorrang

Es gibt leider Dinge, für die ist man ab einem bestimmten Alter zu… ja… zu alt. Ich bin zum Beispiel die letzten zwei Wochen liegehaftig gewesen, nur weil ich einmal im Rausch nackt, ohne Decke, neben dem offenen Fenster eingeschlafen bin. Wegen dem Schas habe ich mich so verkühlt, dass ich völlig erledigt war. Schnupfen, Husten, das volle Programm. Der einzige Vorteil war aber, dass die weiße Anstalt irgendeinen geschickt hat, der mich kontrolliert hat. Weil ich angeblich zu oft krank bin. Jetzt haben sie den Beweis. Ja, ich bin ein kränklicher Mensch, der zu 75 Prozent der möglichen Arbeitszeit wegen Krankheit ausfällt. Ist halt so.

Noch ein Ding gibt es, für das man irgendwann zu alt ist: zum Führerscheinmachen. Die Nachbarin hat ihren die letzten Wochen gemacht. Es war der Horror. Ich am Bett gefesselt und sie mich die ganze Zeit mit irgendwelchen Fragen genervt. Dabei… seien wir uns ehrlich… die Fragen sind viel zu detailliert. Im Grunde reicht es, wenn man sich zwei, drei Verkehrszeichen merkt, der Rest geht nach Gefühl… bzw. teilweise nach Masse des Gefährts. Sitze ich in einem LKW, habe ich meistens Vorrang. Als Fußgänger ist man der Gefickte. Radfahrer haben auch fast keine Rechte. SUV fährt vor… wie heißen diese fahrenden Sparschweine nochmal?

Ich aas:
1 Teller Weintrauben, weil die grade in sind

Krankes Sparschwein

 

Drageehassliebe

Und ich hasse alles, was hier passiert! Zum Beispiel, wenn ich von den Kommentiermaschinen direkt angesprochen werde! Brunnhilde… moment… ich mach mal die Drageekeksi auf… Brunnhilde, was interessieren mich die Probleme von Kindern? Ich hasse dich genauso! So wie alles! Also echt! Ich werde… moment, ich nehme mir mal ein Drageekeksi… mmmh, sehr gut. Also Brunnhilde, wo waren wir… ja, die Kinder… mmmmh Drageekeksi. Kinder sind ganz nett… warum ich so konfus schreibe? Kinder… jajaja. Noch ein Drageekeksi… ich nehme an, dass das Mädchen… Brunnhilde, weißt du, du bist mir die Liebste! Bist du auch so lecker wie ein Drageekeksi? Oh ah, schmeckt! Ich nehme an, dass der Osterhase in das Zimmer des Mädchens gehoppelt ist – natürlich während es tief und fest schlief – und hat ein paar Schokoeier verloren. Und das Mädchen wir jetzt böse auf den… noch ein Drageekeksi… hihihi… also das Mädchen ist jetzt böse auf den Osterhasen, weil er sich nicht gezeigt hat und ich… noch eines… Mmmh! Das beste bis jetzt… die hellen schmecken nach den dunklen immer am besten… also das Mädchen will also jetzt wahrscheinlich, dass ich mit dem Osterhasen schimpfe. So wird das sein! Brunnhilde! Zufr…. nein, noch ein Drageekekserl! Zufrieden? Zufrieden!

Ich aas:
1 Sackerl Drageekeksi

Drageehass

Vorher und Nachher

Seit ich nicht rauche werde ich immer dümmer… nein, dünner. Mir schmeckt nichts mehr. Weder das Schnitzel, noch der Spritzwein. Kaffee trinke ich auch weniger. Dafür schmeckt mir der Weinbrand besser. Eines aber ist gleich geblieben: mein Brechreiz, wenn ich an Tee nur denke.
Frauen gefallen mir noch immer. Aber jetzt die Dürren mehr als die Bladen. Joghurt mag ich noch immer nicht… würde aber gerne eine Dürre damit einreiben. Das war vorher nicht so.
Vorher habe ich nach Rauch gerochen. Jetzt rieche ich nach Schweiß. Ich weiß noch nicht, was besser ist. Die Nachbarin sagt, dass es weder besser noch schlechter ist.
Die Scheiße ist härter geworden. Die Pisse heller. Die Spucke ist nicht mehr grau. Meine Kopfhaut juckt jetzt mehr, dafür mein Arschloch weniger… hängt das mit dem schwierigeren Stuhlgang zusammen?

Was aber definitiv neu ist: einmal am Tag muss ich etwas auseinander nehmen. Wenn ich in der Anstalt bin, gehe ich da zum Beispiel in den Raucherhof und dresche auf eine Mülltonne ein. Die Raucher dort verachten mich. Aber das ist mir egal, denn das war vorher nicht anders.

Wenn mich die Nachbarin fragt, ob mir das Rauchen fehlt, steh ich auf und schlag einen Sessel kurz und klein. Dann sage ich: „Nein“

Darum bin ich gleich wieder ins Scheißhäuslrestaurant gegangen, weil dort schmeckt es am besten.

Ich aas:
1 schönen Teller mit Essen

Vorher und Nachher

Die Schuld des Verschiebens

Ja, ich habe jede Menge Schulden:

  1. was geschah während des Feuerwehreinsatzes?
  2. wo ist das Morituri Beisl?
  3. wo ist der Brandinesa?
  4. warum starb in Costa Rica der Klavierspieler?
  5. Und noch vieles mehr.

Viele Fragen sind offen, nichts ist geklärt.

Doch das ist eine Taktik, die ich schon mein ganzes Leben anwende. Etwas beginnen, es spannend machen und dann auf morgen vertrösten.

In der Schule zum Beispiel. Bei schriftlichen Tests. Manchmal, wenn ich wie so oft völlig ahnungslos war, schrieb ich so etwas wie: „Das erzähle ich Ihnen dann bei der Nachprüfung. Auf Wiedersehen.“
Oder bei der Fahrschulprüfung.
„Matla, haben wir bei dieser Kreuzung Vorrang oder nicht?“
„Das erzähle ich Ihnen, wenn wir drüber sind.“
Auch die Nachbarin kennt das:
„Und? War mein Essen gut?“
„Nun, das sage ich dir, wenn ich scheißen war.“

So läuft das. Und ich aas – und das erzähle ich dir jetzt sofort auf der Stelle stante pede:

1 Kornweckerl mit EKG

Die Schuld des Propheten

 

Beim Psychopathendoktor

„Die Stimmen sind zurück… mehr denn je.“
„Was ist passiert, Matla? Entspannen Sie sich und erzählen Sie mir alles ganz genau.“
Ich lag am Vormittag beim Psychopathendoktor auf dem Sofa.
„Normalerweise sagen die Stimmen nichts… oder nur belangloses Zeug… und sie sind sich untereinander einig… Harmonie und so… aber in den letzten Wochen sind sie stärker geworden und mehr. Sie sprechen jetzt häufiger zu mir…“
„Was sagen diese Stimmen denn so, Matla?“
„Ja… sie reden von einem Feuerwehreinsatz… die einen Stimmen wollen ihn haben… die anderen wieder nicht…“
„Mhm. Sprechen Sie weiter.“
„Mir kommt sogar manchmal vor als würden sie mich ignorieren… als wäre das, was ich sage, völlig unwichtig… sie verspotten mich sogar schon!“
„Interessant. Wie verspotten die Stimmen Sie, Matla?“
„Naja, gestern zum Beispiel. Ich habe ihnen erzählt, dass ich beim Billa war… ich meine… ich wollte die Stimmen auf die Probe stellen… habe ihnen irre Dinge erzählt… Sie wissen ja, Herr Doktor, niemand mag mich… beim Billa am aller wenigsten: ständig werde ich an die Luft gesetzt, die Anzeigen wegen sexueller Belästigung, die Gerichtsbeschlüsse und so weiter… und ich habe ihnen gestern das genaue Gegenteil erzählt… sie haben mich dann verspottet… mich Rosalinde Bülcher oder so genannt… was soll ich tun? Was nur?
„Nun, Matla, ich schlage ihnen vor, Sie…“
„Immer Feuerwehreinsatz ja, Feuerwehreinsatz nein! Andauernd! Brunnhilde hier, Sonja dort. Bob von hinten, Furzer von vorne! Vanacoud hehe und knofl Bussi Bussi! Herr Rudolf ranzig! Wer soll das bitteschön aushalten?
„Schlucken Sie diese Tablette und trinken Sie etwas, Matla.“
Dann bin ich eingeschlafen.

Ich aas:
1 Teller so indisches Zeug von der Nachbarin. Scharf und komisch.

Beim Psychopathendoktor