Die gestiefelte Feuerskatze

Gestern wäre in der Anstalt aus einer Übung beinahe ein Massaker geworden. Es gab Probefeueralarm und alle wußten, dass es Probefeueralarm ist. Niemand reagierte. Ein paar schauten mit gerunzelter Stirn auf die Uhr, andere seufzten genervt. Wenn ich mich nicht täusche, hat der eine im Eck sogar verächtlich gefurzt.
Aber dann passierte etwas, womit keiner gerechnet hatte. Die Kollegin, vor der alle Angst haben, ist die Feuerbeauftragte! Mein Gott! Sie kam wie der Teufel persönlich aus ihrer Zelle geschossen, mit gelber Jacke, Verbandszeug und anderen Utensilien. In der Hand hatte sie etwas, mit dem sie die ganze Zeit wie wild herumfuchtelte. Niemand konnte erkennen, was es genau war. Eine Reitgerte? Ein Elektroschocker?
„Feuer!“, schrie sie, „Feuer! Aufstehen ihr faulen Ärsche! Raus aus dem Büro!“
Da kam ordentlich Leben in unsere geschlossene Gesellschaft. Als die Kollegin, vor der alle Angst haben, in unserer Tür stand, machte sich sogar etwas Panik breit. Wir mußten raus, aber da stand ja der Feuerteufel in unserer Tür! Der labile Kollege machte in seinem Irrsinn eine Kehrtwendung und wollte aus dem Fenster springen. Wir mussten ihn zurückhalten. Zum Glück wurde die Kollegin, vor der alle Angst haben, abgelenkt. Sie schrie in den Gang: „Aufhören zu reden da  hinten! Sonst komm ich euch! In Zweierreihen, verdammte Scheiße!“ Dann stiefelte sie ganz weg. Wir dachten schon, Schmerzensschreie zwischen den trommelfellzereissenden Tönen der Alarmanlage zu hören. Und waren das nicht Rauchschwaden, die sich da am Boden zogen?
Naja, letztendlich sind wir alle unten auf der Strasse angekommen. Nur ein Kollege, der vom Feuerteufel dabei erwischt wurde, wie er mit dem Lift fahren wollte, wurde nicht mehr gesehen.

Ich aas:
1 französisches Laugenstangerl vom Anker
1 Krapfen vom Anker

Bürotypen II

„Kollegin, vor der alle Angst haben“ – das ist auch so ein Bürotyp. Das sind Frauen, die dich ständig anschreien, aus welchen Gründen auch immer.
Da gibt’s zwei Untergruppen davon. „Der scharfe Zahn, vor dem alle Angst haben“ – trägt enge Hosen und hohe Stiefel, knackiger Arsch, muskulös. Von ihr niedergemacht zu werden läßt du dir gefallen, weil du dich in deine Rolle als kleines Söhnchen zurückversetzt fühlst. Wenn man diese Kollegin von Weitem kommen hört, dreht man lieber um und wählt den anderen, längeren Weg, nur um nicht in Versuchung zu kommen, ihr auf die Titten oder den Arsch zu gaffen – es könnte bei der nächsten Sitzung den Tod deiner Selbstsicherheit und deines Stolzes bedeuten.
„Die fette Sau, vor der alle Angst haben“ – schreit dich auch ununterbrochen an. Bei der läßt du dir das aber gefallen, weil du wirklich panische Angst um dein Leben hast. Wenn die dir am Gang wie eine überhitzte Dampflock entgegenpfaucht, springst du in die nächste Nische, um nicht zerquetscht zu werden. Pech, wenn dort grade der scharfe Zahn steht, vor dem alle Angst haben. Dann gute Nacht.

Ich aas:
1 Käsekornspitz mit Tomaten vom Anker

Der Tod und die Zwiebelsuppe

Um halb drei Uhr morgens wars, als es läutete und klopfte. Wankend stolperte ich zur Haustür. Es klang als wollte Kerberus persönlich meine Bude stürmen. Es war die Nachbarin, sie zitterte am ganzen Körper.
„Was ist los?“, fragte ich.
„B-b-b-b-itte Matla, ich hab es gesehen“, wimmerte sie.
Das Licht am Gang ging aus, es war dunkel.
„Komm rein.“ Ich lotste sie zu meinem Stuhl.
„Ich hab es gesehen!“
„Was hast du gesehen?“ Ich zündete zwei Zigaretten an, gab ihr eine davon.
„Das X auf der Strasse! Matla! Das X!“ Ihr Blick war irre.
„Weiß nicht, was du meinst.“
„Das X, das die Polizei auf die Strasse malt, wenn ich aus dem Fenster gesprungen bin! Wenn sie mich vom Gehsteig runtergekratzt haben!“
„Shit!“, antwortete ich und schenkte ihr einen Becher Rotwein ein. Sie trank ihn in einem Zug leer. Ich gönnte mir einen Schluck direkt aus dem Tetrapack, ging ins Schlafzimmer und holte die Kiste unterm Bett hervor. Dann kontrollierte ich eine Zeit lang mit dem Scharfschützengewehr die Strasse.
„Nichts zu sehen. Die Strasse ist clean… was man von dir nicht behaupten kann.“
„Aber das Schlimmste kommt noch, Matla. Dann habe ich noch etwas gesehen.“
„Und was?“ Ich nahm mir noch einen beherzten Schluck Rotwein.
„Ich habe meinen Namen auf dem Grabstein gesehen!“ Sie zitterte nun noch mehr, ich bekam Angst, sie würde sich in eine andere Dimension vibrieren. Ich musste sie beruhigen.
„Weißt du, ich hab auch was Komisches gesehen“, sagte ich, füllte ihr noch einen Becher Rotwein voll.
„Ich war heute mit den anderen Anstaltsinsassen essen. Mittwoch ist immer Schnitzeltag im Stüberl…“ Ich wartete kurz auf eine Reaktion, aber die Nachbarin hörte mir gar nicht zu. Ich fuhr fort:
„Ich habe beobachtet, dass es bei uns drei Arten von Schnitzelgesichtern gibt: die, die Kartoffelsalat dazu essen, die, die Pommes dazu essen und die, die Reis dazu essen. Zu welcher Art gehöre ich? Was glaubst du?“

Ich aas:
1 Zwiebelsuppe
1 Gordonblö mit Kartoffelsalat

Alles neu macht der Herbst

Schon seit Wochen steht ein Paket in meiner Wohnung. Irgendein Paketdienstler hat es mir gegeben, weil der Neue von der Tür am Ende des Gangs nicht zuhause war. Diesen Neuen sehe ich nur, wenn wir zufälligerweise beide am Fenster rauchen. Ich mag neue Nachbarn nicht.
Gestern bin ich mit dem Paket zu ihm rüber, läutete an. Er schrie irgendwas durch die Tür, ich hielt ihm das Paket vor das Guckloch. In Unterhose stellte er sich vor.
„Ferdinand.“
„Matla. Hier hast du dein Paket, Alter.“
Er konnte das Paket nicht holen, weil das Gekritzel des Paketdienstlers, der ihm eine Nachricht hinterlassen hatte, völlig unlesbar war.
„Bist du nicht der, den ich manchmal am Fenster sehe?“
„Ja.“
„Rauchst du in diesen Geräten Tabak oder gibst du andere interessante Zutaten dazu?“
Verdächtige Frage und der neue Nachbar sah bei genauerer Betrachtung tatsächlich wie ein Polizist aus.
„Ich scheiß auf Tabak.“
„Ok, Matla, dann komm ich mal auf einen Rauch vorbei.“
„Fein. Lebwohl, Alter.“
Ich war schon im Gehen, die Tür schon fast zu, als mir noch was einfiel.
„Ferdinand, kannst du mir eine Rolle Klopapier leihen?“
So werden bei uns neue Mitbewohner empfangen. Herzlich und hilfsbereit.

Ich aas:
1 Brot
1 Käse
1 Eieraufstrich
1 Käsewurst
1 Kronprinz Rudolf Apfel JAWOLL!

Waschen im Jahre 2010

Am Vormittag war ich im Rattenloch – nach einer Ewigkeit mal wieder! Eine Stunde Fahrzeit, eine halbe Stunde für die Sicherheitschecks (ich hatte meine Karte vergessen), eine weitere halbe Stunde, um die neuen Zugangscodes zu bekommen, eine Viertelstunde Arbeit, dann eine Stunde Heimfahrt. Ziemlich sinnlos.
Und auch ekelhaft. Bin nach langer Zeit wieder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. Eine Tortur! Bei diesem schwülen Wetter stinkt ihr Menschen mehr als sonst! Ihr verdient es, vernichtet zu werden!

„Du stinkst, Matla!“, begrüßte mich die Nachbarin, die mir am Gang auflauerte.
„Du stinkst auch, du Sau!“, konterte ich gekonnt.
„Nein, im Ernst! Und wechsel mal die Hose! Siehst du nicht die braunen Flecken über den Hosentaschen? Und die Löcher! Dir hängt ja fast schon der Schwanz aus der Hose!“, nörgelte sie herum.
„Keine Zeit zum Wäschewaschen! Bis dann und Prosit 2010!“, sagte ich und ging davon.
„Aber wenigstens Händewaschen könntest du dir!“, rief sie mir noch nach.
Mann! Hat sie keine andere Sorgen als waschen, waschen, waschen?
„Beim nächsten Regen stell ich mich raus!“, rief ich zurück und hoffte auf ein Wunder.

Ich aas:
1 Becher Kaffee mittags unterwegs
Und was ich jetzt esse, weiß ich noch nicht.

Nächtlicher Unrat an der Rattendecke

Ja und jetzt war ich einige Tage und Nächte im Rattenloch. Das ist ganz schön gruselig dort. Besonders die Nächte.
Erst gestern Nacht hat mich so ein depperter Androide erschreckt. Ich schlich ganz vorsichtig durch die stockdunklen Gänge – ich kam gerade von einem super Schiss – , da sehe ich vor einer Kreuzung einen Schatten von rechts nach links. Und dieser Schatten sah so aus, wie ein typischer Schatten eines Androiden mit Tötungsabsicht halt so aussieht. Ich, Samurai, der ich bin, schärfte meine Sinne, schätzte blitzschnell die Situation ein und wußte sofort, was zu tun war. Etwas vor mir hing von der Decke so ein Notausgangsschild, das ein kleines kümmerliches grünes Licht von sich gab. Mit nur einem Schritt Anlauf sprang ich hoch und fasste das Schild. Ich wollte mich natürlich an diesem Schild nach oben in die Lüftungsschächte katapultieren.
Leider riß es ab. Es hielt nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde. Statt dessen hielt ich nun einen Teil der Deckenverkleidung, etwas Draht und ein leicht zersprungenes grünes Notausgangsschild in den Händen. Doch das hielt mich nicht auf. Ich wußte, der Androide hatte den Lärm des herabfallenden Neonröhrenbeleuchtungskörpers, der auf dem Teil der Deckenverkleidung in meinen Händen hing, mit Sicherheit gehört. Reagiere! Reagiere! Das sagte ich mir und öffnete die Tür zum Raucherzimmer neben mir. Das war die Rettung. Mit einem leisen ausfallenden Schritt begab ich mich in den Raum. Endlich in Sicherheit zündete ich mir eine Zigarette an. Mit vorgehaltener Hand, denn der Riß im Lüftungsrohr am Gang erzeugte einen solchen Luftzug, daß es fast schon windig war in der Selchkammer. Nun zog ich den ganzen Unrat, der von Decke geflogen war, zu mir und schloß die Tür zum Gang. Ich mußte mir ganz schön viel Mühe machen, um den Krempel derart kleinzubekommen, daß er in die diversen Aschen- und Mistkübel paßte.

Heute bin ich mal wieder daham und aas:
1 Brot
1 Haufen Tomate
1 Käse
1 Stiegl