Agaffine Sitzung #2

„Und können Sie die Stimmen auch… naja… sehen, Matla?“
„Hmmm, ja. Eigentlich schon… also mehr oder weniger…“
„Und wie würden Sie sie beschreiben?“
„Hm, ja… gute Frage… fangen wir mal mit den Herrn Rudolf an. Der sieht aus wie der Kellner in einem Wiener Kaffeehaus. Lang, dünn, mit dem typischen schwarzen Anzug, weißes Hemd… Umstandsmeier… ja, dann der Furzerjohannes. Der ist wiederum mehr wie ein Hobbit. Klein und dick… und hat so Riesenfüße mit vielen Haaren drauf, sodass er gar keine Schuhe mehr tragen kann… er hat wie ich so eine schreibende Zwangsneurose… Sonja ist… eine Pornosau. Ja! Total versaut mit großen Titten… sehr gute Bauchtänzerin… trägt genietete, nach Sperma riechende Lederjacken und lacht gerne. Brunnhilde ist mehr die Big Mama, die nie lacht. Mit Flügeln am Kopf… statt der Ohren… weiß auch nicht, wieso. Wenn man der falsch kommt, zerquetscht sie einen mit ihrer gewaltigen Masse… Damenbart, schlecht rasiert, aber trägt gerne Tigerunterwäsche. Bob… hm… ist eher der korrekte Typ… fette Haare mit Linksscheitel… Hosenträger, Hornbrille, Moustache… kleine Schuhgröße, aber dafür große Augen, riecht nach Pitralon und mag japanische Zeichentrickfilme. Vanacoud sieht wie ein Kasperl aus. Lange Nase, abstehende Ohren, Hasenzähne, kleine Augen, leichter Buckel. Rote Kappe verkehrt herum am Kopf. Aber am schlimmsten ist knofl. Die einfach nur klein, dünn und blöd. Sieht eher aus wie eine alte Krautstaude.“
„Gut. Halten wir das fest und schlafen wir darüber.“

Ich aas:
1 Tube Agaffin, denn die Stimmen verursachen auch Verstopfung

Agaffine Sitzung #2

Der Ostermörder

„Sein Kopf wird zerschellen!“ Das versprach ich gestern dem sterbenden Ei und ich werde den Mörder auch finden. Der Kreis der Täter kann eigentlich schnell eingekreist werden. Es muss jemand aus dem Haus sein. Die Nachbarin kommt dafür natürlich in Frage, der verwesende Körper der schon langen toten Hausmeisterin wohl kaum. Die anderen Bewohner kenne ich zwar nur vom Sehen: den Bobo von oben, der mich stets auf seiner Seite sehen will und mich permament unaufgefordert anspricht. Die Studentin, die Flötenunterricht gibt und, wenn man den Gerüchten glauben kann, gegen einen kleinen Aufpreis auch gerne mehr bläst als die Flöte. Die Familie mit den beiden Mädchen, die ich bisher nur im Laufschritt gesehen habe. Den Pensionisten, der sich einen halben Tag lang vom Erdgeschoß hinauf in seine Wohnung schleppt – wenn ich den auf der Stiege treffe und er völlig versteinert dasteht, stupse ich ihn an, um zu sehen, ob er noch lebt. Den ständig benommenen Typen mit den Dreadlocks. Und schließlich ein abgeleckter, etwas kleingeratener Typ in Anzug und Krawatte, der mit seinem Headset wie ein Kyborg aussieht. Aber trotzdem. Sie alle kommen in Frage, ihnen allen traue ich einen Mord zu.
Heute vormittag ist etwas passiert, das meinen Verdacht gegen die Nachbarin erhärten läßt. Ich war im Kaffeehaus und latschte gerade nach Hause, als ich von Weitem schon die Konturen der Nachbarin bemerkte. Seltsam sah sie aus, irgendwie aufgedunsen. Es war eigentlich gar nicht so kalt, doch sie war angezogen wie ein Astronaut. Eine dicke Pudelmütze tief ins Gesicht gezogen, eine Winterjacke, aufgeblasen wie ein Heißluftbalon, Fäustlinge, Rollkragen über den Mund und große Sonnenbrille. Aus der Ferne konnte man meinen, die Nachbarin würde jeden Moment ihre Ski auf die Füße schnallen und versuchen, damit den Hang herunterzurutschen. Sie kam mir entgegen, wechselte dann aber schlagartig die Strassenseite. Ich tat es ihr gleich, ich wollte mit ihr sprechen. Wieder wechselten wir auf den gegenüberliegenden Gehsteig. Sie versuchte, mir auszuweichen. Mit einem Sprung kam ich genau vor der Nachbarin zu stehen und sagte schnell:
„Schmeißt du Eier auf meine Tür?“
Die Nachbarin reagierte nicht, ja, sie sah mir nicht einmal in die Augen. Sie verzog ihre Lippen nur zu einem kurzen künstlichen Grinsen und schlüpfte dann an mir vorbei. Ich ließ die Nachbarin passieren und blickte ihr nachdenklich hinterher. Irgendetwas mußte sie unter diesem Anorak haben, er sah so aufgeblasen, so ausgefüllt aus!
Zuhause angekommen fand ich wieder ein Osterei vor meiner Wohnung. Diesesmal ein oranges. Es war wohl wieder gegen die Tür geschleudert worden, denn es hatte ein paar Sprünge. Ich konnte es nicht mitansehen. Schnell und heftig trat ich auf das liebe Ei, um es von ihren Schmerzen zu befreien. Die Leiche der toten Hausmeisterin wird das Ei wohl nicht wegputzen.

Ich aas:
1 Brot
1 Ei
1 Topfen
1 Käse

Puffdenken

Die letzten Tage hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Mit dem Ergebnis, daß Nachdenken bei mir kein Ergebnis liefert – außer dem einen eben.
Das war schon immer so bei mir. Darum habe ich im Laufe der Jahre mit dem Denken aufgehört. Und es geht mir gut damit!
Beispiel 1: gestern treffe ich die Nachbarin im Stiegenhaus, ich geh rauf, sie geht runter. Ich tu so, als würde ich sie nicht sehen. Und was macht sie? Sie verpaßt mir ein Paar Watschen. Eine links, eine rechts und geht weiter, als wäre mich zu Ohrfeigen so normal wie das Treppensteigen selbst.
Früher hätte ich mir wohl lange den Kopf darüber zerbrochen, was wohl der Grund für ihr Attentat gewesen sein könnte. Gestern: puff und alle Gedanken waren weg.
Beispiel 2: komm ich heute früh vom Kaffeehaus zurück – waschelnass, es regnete in Strömen. Steh ich im Vorzimmer, trete mir die Schuhe von den Füßen und will mir die Jacke ausziehen. Geht nicht. Der Reißverschluß klemmt. Bewegt sich keinen Millimeter mehr, weder in die eine noch in die andere Richtung. Früher hätte ich versucht, das System eines Reißverschlusses zu durchschauen, um eine möglichst materialschonende Reparatur in die Wege zu leiten. Heute: her mit der Schere, schnipp, schnapp und die Jacke war wieder offen – neben dem geschlossenen Reißverschluß.

So ists gut.

Ich aas:
1 Liptauer aus der Bäckerei
1 Räucherkäse
1 Brot
1 Kronprinz Rudolf

… das Foto ist irgendwo in der Luft steckengeblieben – es kommt nicht an …

Rendezvous mit Nachbarins Tod

Es tat gut, den Schlaf nachzuholen. Gestern als die Sonne schon hoch stand (wenn man unter diesen Umständen von „hoch“ sprechen kann), erwachte ich quietschvergnügt. Grunzte, schlapperte, sapperte, suhlte mich in der verschlammten Bettwäsche. Der schlafraubende Auftrag war ausgeführt, es gab nichts zu tun. In Zeitlupe erhob ich mich, sackte gleich wieder zurück. Pochende Kopfschmerzen, ausreichend Schlaf nicht mehr gewöhnt. Schlief nochmal ein, schreckte nach kurzer Zeit hoch. Stand doch noch auf.
Mein Blick war ungewöhnlich scharf. Sah Dinge, die die letzten Wochen meiner Aufmerksamkeit völlig entgangen waren. Zum Beispiel der aufgerissene und achtlos zur Seite gestoßene Pizzakarton, aus dem die Pilze nur so hervoquollen. Gab ihm einen Tritt und verfrachtete ihn so hinters Bett. Zog mich an, so gut es ging, und wankte ins Kaffeehaus. Frühstück.

Am Abend hockte ich bei der Nachbarin. Sie sah fern. Ich verabscheue Fernsehen zu tiefst, doch sie sagte:
„Bleib hier, Matla. Spielt einen schönen Film. Rendezvouz mit Joe Black.“
Ich hatte keine Ahnung, was das war, wußte nicht auf was ich mich einließ. Doch aus irgendeinem Grunde zog mich die Werbung in ihrem Bann, ich blieb. Rutschte ganz nah zur Röhre, konzentrierte mich, versuchte jedes auch noch so kleine Detail wahrzunehmen, zu speichern. Machte das auch beim Film – die Werbung war besser.
Rendezvous mit Joe Black. Ein unbeholfener, saumieser, blonder Schauspieler, abgelecktes Arschgesicht, und eine Schauspielerin, der ich am liebsten die Fresse poliert hätte – sie sah aus, als würde sie jeden Moment in einem Heulkrampf zusammenbrechen.

Danach hatte ich mit der Nachbarin viel Freude. Uns beide machte die Vorstellung an, mit dem Tod zu ficken.

Ich aas:
1 Kronprinz Rudolf
1 Bresso
2 Brot

Außen vor lassen

Ich saß ganz entspannt im Dienstagsvormittagdämmerzustand auf meinem Stuhl im Rattenloch, dachte an die bedrohlich wogenden Titten der Kellnerin im Kaffeehaus, als es energisch an der Tür klopfte. Ich zuckte zusammen, nahm meine Beine von der Tastatur, murmelte zu Admiral Kuckkuck, der sich gleich unter seinem Tisch versteckte: „Muß das schon um diese Uhrzeit sein?“ und schrie ganz mißmutig: „Ja verdammt!“ Die Tür flog auf und ein Androide rollte herein. Ich stand auf, schob meine Hose bis über den Bauchnabel und machte mich bereit, ihm eine die Gosche zu treten, weil er es wagte, meine Ruhe zu stören. Während ich auf den Androiden zustampfte, faselte er irgendeinen Scheiß daher, den ich nicht verstand. Seine letzten Worte jedoch waren: „Na jedenfalls lassen Sie bitte die Weihnachtskugelschreiber außen vor.“ Mehr brauchte es nicht. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Admiral Kuckkuck aus seinem Versteck hervorsprang und „Matla! Deckung!!!“ schrie, während ich schon einen Hechtsprung über die vordere Tischreihe unternahm. Ich verhedderte mich in einem Monitorkabel und riß Maus und Tastatur auf den Boden. Eine Cola-Flasche, die irgendwem als Vase diente, fiel um und entließ das verwesende Wasser in die Freiheit. Der Androide fuhr erschrocken zusammen, hielt seine beiden Arme schützend über seinen Metallschädel und sagte ganz zaghaft: „Was? Was ist denn los?“
Nachdem ich gewissenhaft geprüft hatte, ob die Luft rein war, stand ich vom Boden auf und fuhr den Androiden an: „Na, Sie machen mir vielleicht Spaß! Da kommen sie zu einer unmöglichen Zeit daher und lassen dann noch solche Sprüche! Und was soll der Scherz mit den Kugelschreibern?! Warum soll ich sie vorlassen? Ich hab noch NIE irgendwen außen vorbei gelassen.“
Und dann lachte ich allein, ziemlich zwanghaft, über diese lächerliche Pointe, schob den Androiden zur Tür hinaus, setzte mich wieder hin und schlief über diesen langweiligen Text ein, während ich vom Strassenrennen am Wochenende träumte.

Und aas:
1 Gebäck mit Füllung
1 Kuchen mit Füllung
1 Häferl mit Füllung

Hass und Medizin im Kaffeehaus

Die Kellnerin im Kaffeehaus ist schwerhörig, unnatürlich groß und hat übernatürliche Titten. Man lebt dort in der ständigen Angst, um ihr Gleichgewicht. Eine Brille, die ihr viel zu groß ist, sitzt immer so schief und nah an der Nasenspitze, als dauerte es bis zum Absturz nur noch den Bruchteil einer Sekunde. Sie gehört zu jenen gestraften Menschen, die ob ihrer ständigen Nervosität und der Selbsteinschätzung, dumm zu sein,  an Mundgeruch und Schweißfüßen leiden. Unwillkürlich beginnt man die Kellnerin zu hassen. Obwohl sie sicherlich ein nettes Wesen hätte, aber wen interessiert das schon.

Daher war ich nur kurz im Kaffeehaus. Zuhause wärme ich mich mit Rumtee auf. Und um nicht an einer tödlichen Lungenentzündung zu erkranken, esse ich viel Zucker.
Und den Kaffee trinke ich, bis ich das Blut durch mein Gehirn strömen höre.

Ich aas:
1 Zucker
1 Rum
1 Koffein

Kaffeewohnung

Ich habe mich dazu entschlossen, die restliche Woche nicht zu arbeiten. Die letzten drei Tage waren ohnehin so mühevoll, sicherlich habe ich mir etwas Ruhe verdient.
Den Vormittag verbrachte ich im Kaffeehaus, was ich nun öfters tun werde. Denn so brauche ich nicht Unsummen für die Reparatur des Ofens oder für Kohle ausgeben, sondern spare mir das Geld einfach und bringe Teile davon im Kaffeehaus an. Ein Vormittag im Kaffeehaus kostet soviel wie ein kleiner Kaffee kostet und der Nachmittag dann nochmal soviel. Und selbst die Kaffees gewinne ich meist durch kleinere Wetten, die ich mit den anderen alten Scheißern dort betreibe. Heute verdiente ich mir so sogar schon zwei kleine Braune. Die neue Kellnerin nämlich ist etwas ungeschickt und ich setzte zweimal auf ihr baldiges Stolpern und Verschütten von Kaffee.

Jetzt bin ich kurz nach Hause gegangen, damit meine Wohnungstür nicht zufriert. Bei dieser Gelegenheit habe ich mir auch gleich ein paar Sachen für die nächsten Tage besorgt:
1 Ziegel Bergbaron
1 Ziegel Marzipanstollen
1 Apfel esse ich gleich, damit dann das Marzipan besser auf die Geschmacksnerven der Zunge trifft

PS: Bitte betone das Wort „Kaffee“ NIE auf der ersten Silbe! Tu das nicht. NIEMALS!