Die lauwarmen Reste der Tötungshemmung

Heute morgen stapfte ich voll Elan und ziemlich unternehmungslustig durch den neuen Schnee Richtung Bäckerei und bot dem Wind, der um die Ecken zog, ganz schön Paroli. Ich wollte doch bloß einen warmen Kaffee und zwei, drei frische Krapfen. Doch es sollte anders kommen. Ein Kumpan aus der Obenohnebar kämpfte sich die Straße hoch. Ich wollte ihm natürlich ausweichen, fiel aber hin – meine alten Cowboystiefel hatten nie sonderlich viel Profil und im Laufe der Jahre ist es nun ganz verschwunden. Als ich fluchend auf die Beine gekommen war, stand der Typ schon grinsend vor mir. UND WAS GLAUBST DU, was er gesagt hat! WAS GLAUBST DU?
„Scheiß Schnee, was?“
Als ich das hörte, spürte ich schon, wie mein Feitel in der Tasche zu zucken begann.
„Ich mag den Schnee. Es ist gut, daß er hier ist. Er gehört hier her! Er ist schön!“, sagte ich.
Und weißt du, was er dann gesagt hat? Du kannst es dir schon denken.
„Ja, Schnee ist schön, in den Bergen. In der Stadt is er fürn Arsch.“
Da kam in mir dieses Gefühl hoch, dieser unbestimmte Drang jemanden zu töten. Ich griff in die Tasche und fühlte, ob mein Feitel da war, sah nach unten zur Bäckerei, sah zurück zu meinem Haus und entschied mich für die einfachere (aber lächerliche) Lösung. Ich schlich mich grußlos nach Hause. Die Bäckerei war mir vergangen und die Leute, ja die Leute in der Stadt sind sowieso fürn Arsch.
Und eines weiß ich nun. Ich muß an meiner Tötungshemmung arbeiten. Das Training wird heute beginnen.

Während der letzte Rest des alten Winters eisigkalt beim Fenster reinweht, esse ich die alten Reste aus dem lauwarmen Kühlschrank, der eine mißlungene Zielscheibe aufgemalt hat, in der einige Messer stecken.

Ich aas:
1 Brot
1 Käse
1 Mandarine
1 Rotwein

Nasenblut auf Japans Schnee

Ich liebe Tage, an denen es schneit. Tonnen weißen Schnees rieseln auf Tonnen von Hundsdreck. Überziehen diese verkommene Stadt mit einem Schleier der Unschuld. Ist zwar nur oberflächlich, aber das genügt mir.
Den ganzen Tag schon sitze ich da und schaue raus. Ich beobachte wie die Schneeflocken vor meinem Fenster verspielt wie junge Katzen auftauchen, neugierig, freudig die Welt untersuchend, und dann langsam und unaufhaltsam in den Abgrund stürzen. Das beruhigt. Ja, das beruhigt mein sorgenschweres Gemüt. Dieses hypnotisierende Dahinschweben läßt auch meinen Geist davontreiben. Und zwar dorthin, wo der Schnee am schönsten fällt. In die Berge Japans.
Um mich von diesen nostalgischen Erinnerungen aber nicht zu sehr in die unendliche Tiefe der geistigen Einsamkeit ziehen zu lassen, bin ich jetzt grad in der Pizzeria gewesen. Dort ist es auch  nicht schlecht. Der Chef, ohnehin schon einen explosionsgefährdeten Rotkopf, strauchelt von Asthmaanfall zu Asthmaanfall, während er versucht, dem Pizzakoch aus Favoriten, der an einer Art ewigen Nasenblutens leidet, meine Bestellung zu erklären. Nun, ich mache es selbst:

1 Quattro Formaggio mit Extrakäse

Die Zahnskyline von Dresden

Die Brotdose kann mich mal. Nun gibt es neue Aufregung im Hause. Denn heute war ich beim Zahnarzt. Nach zwanzig Jahren das Erstemal. Ich gehöre nämlich nicht zu der Sorte von Leuten, die, sobald ihnen ein Furz in der Wampe zwickt, zum Arzt flennen rennen.
Bis jetzt gab es auch keine Probleme mit meinen Zähnen. Ein paar sind schon rausgefallen, aber – mein Gott! – das kommt vom Alter. Nun bin ich aber doch zum Zahnarzt gelatscht, weil ich letztens zufällig einen Spiegel in die Hand bekam und mir meine Zähne ansehen konnte. Shit! Habe ich mich erschreckt! Meine Zahnskyline sieht wie Dresden nach dem Bombardement aus! Eine schwarze Ruinenlandschaft mit einem leichten Geruch von Verwesung.
Die Zahnärztin war sehr freundlich…. bis ich ihr gesagt habe, daß ich zuletzt vor zwanzig Jahren beim Zahnarzt war. Sie hob mit einem angewiderten „Nau Daunkschen!“ ihre Augenbrauen so hoch, daß man meinen konnte, sie würden sich gleich von der Stirn lösen und davonflattern! Sie näherte sich meinem offenen Maul wie ein Ritter, der in die Höhle des Drachen läuft. Ganz vorsichtig, das Visier des Helmes heruntergeklappt und den Bohrer zitternd vor sich gestreckt, um jederzeit alles Böse, das sich aus der Dunkelheit erhebt, niederstrecken zu können.
Aber letztendlich ist alles gut ausgegangen. Die Zahnärztin hat gar nichts gemacht. Sie hat mir nur gesagt, daß es fünf Löcher gäbe, die dringenst weggemacht werden sollten, die Weisheitszähne müssten rausoperiert werden und dann noch irgendwas unverständliches von Frisurenversiegelungen. Dann gab sie mir einen „Kostenplan“. Nachdem ich diesen Kostenplan beäugt hatte, war alles klar. Wir werden uns nie wieder sehen.

Ich aas mit den Resten der einst prächtigen Stadt Dresden:
1 Käsebrot
1 Nektarine
1 Kaffee
1 Muffin

Und sie leben doch! Leider.

Da bin ich wieder. Erst. Nach einem durchgezechten Montag beim Herren der Kugelschreiber.

Der Tag begann sehr gut. Auf der Fahrt zum Herren der Kugelschreiber war auffällig wenig los, kaum Menschen auf der Straße, wenig Autos. Mit einem guten Gefühl brauste ich ENDLICH über freie Straßen, genoß die Sonne, hatte das Fenster offen, den Arm draußen und klopfte den Takt der Lieder auf die Außenseite der Autotür. Und während im Radio meine Lieblingsmusik gespielt wurde, stellte ich mir vor, in der Nacht wäre auf Grund irgendeiner willkommenen schnelltötenden Seuche ein guter Teil der Wiener verreckt und die Stadt wäre ENDLICH wieder groß genug für mich. ENDLICH wieder unnötig rote Ampeln überfahren, die Straßenbahn links auf der Gegenspur überholen und die alten Knacker von der Straße abdrängen.

Und so aas ich das Ostermenü:
1 Käseleberkäseleberkäsesemmel mit Pfefferoni
1 Apferl
1 Krapferl – er war klein, muß wohl an der Fastenzeit liegen.

Wo sind die Fotos?

Die Mittagessenfotos laß ich weg. Interessieren keinen. Oder? Seit Jahren präsentiere ich dir hier an dieser Stelle täglich ein neues photographisches Meisterwerk und was habe ich davon? Bekomme ich positives Feedback? Oder werde ich etwa zu meinen künstlerischenLeistungen beglückwünscht? Oder erhalte ich gar ein Künstlerstipendium der Stadt Wien? NEIN!
Dabei, schau dir doch einmal das Monument des Erbrechens an (ja, ich weiß, die Seite braucht elends lange bis sie daherkommt und ganz fertig ist)! Aber schau genau! Wenn man oberflächlich drüberguckt, glaubt man, daß alles der gleiche Käse ist (genaugenommen ist tatsächlich der Käse fast immer der Selbe, und zwar Gouda, aber du weißt, wie ich es meine). Betrachtet man allerdings jedes einzelne Foto längere Zeit, so erschließt sich die Vielfalt des Erbrechens erst wirklich!
Siehe! Jedes Foto hat seinen eigenen Tag, seine eigene kleine Geschichte! Das Licht (oder kein Licht, wie damals in dem Büro ohne Fenster im Rattenloch!)! Die Position der Einzelteile, die Zugaben zum Essen (Weihnachten, Ostern, die Wahlen, usw.), die Umgebung! Vieles läßt auf die Stimmung des Schöpfers schließen, auf seine Probleme und seine Glücksmomente, seine Höhen und Tiefen. Und….. rüüüüülps…. also pfeif auf die doofen Fotos.

Ich aas:
1 Brot
1 Beilage
1 Auflage

Stadt, du bist so super!

Lili ist so neu und ich fahre mit dem Rad.

Ein herrlicher Tag. Ich bin heute wieder mit dem Fahrrad zu Lili gefahren, die übrigens wie durch ein Wunder völlig neu aussieht – s. Foto (heute mit Vöslauer-Oberteil).
Die Strecke, die ich dabei mit dem Rad fahre, zeigt mir die Stadt, wie ich sie liebe. Morgens immer der aufgehenden Sonne, Abends der untergehenden Sonne entgegen.
Die Tour beginnt mit der alten Schotterstraße den Berg runter. Hier werden meine 190 kg schweren Fettpolster, die meinen schlanken Körper umgeben, so richtig wachgeschüttelt. Wenn die wirkliche Straße beginnt – mit Autos und so – winke ich den ersten Kindern freundlich zu, die lachend und voll freudiger Erwartung in die Schule wandern. Dann gehts vorbei an dem Haus, in dem ein Fiaker mit seinen Pferden wohnt. Manchmal fahren wir am Morgen ein Stück gemeinsam. Ich hänge mich hinten an seine Kutsche und lasse mich ein Stück ziehen. Obwohl alles nach Pferdescheiße stinkt, ist er sehr freundlich.
Spätestens an der Straße mit den kleinen Geschäften trennen sich unsere Wege und ich fahre zwischen den kreuz und quer
geparkten LKWs der Lieferanten durch. Einer schenkt mir hin und wieder ein kleines Kipferl, weil ich ihm einmal behilflich war. Ansonsten begrüßen wir uns immer lautstark im Vorbeifahren: „Eeeeyyy, Matla!“ – „Eeeeyyy, ElKaWe-Fahrer!“
Danach sause ich meinen Schleichweg durch ein kleines Viertel mit ganz engen und kleinen Gassen, in dem manche Frauen die Wäsche auf Leinen zwischen den Häusern aufhängen – wie in Italien. Im Sommer ist es dort immer angenehm kühl. Eine gute Gelegenheit, um mir den Schweiß aus den Speckfalten zu wischen. Dort sehe ich auch manchmal ein altes Weib ohne Zähne vor dem heruntergekommenen Haus sitzen, die dem Ewigbesoffenen mit Strohhut und Pfeife erlaubt, ein bißchen seinen Kopf auf ihre Knie zu legen.
Wenn ich an den Hinterhöfen des Krankenhauses, in denen sie das abgesaugte Fett lagern, vorbei bin, erreiche ich bald die Stelle meines höchsten Glückes: meinen Arbeitsplatz, den G-Punkt meines Lebens. Da binde ich mein Fahrrad an eine Laterne – gleich neben dem Mistkübel. Wenn ich nach der morgendlichen Anstrengung Magenkrämpfe bekomme, verwende ich ihn immer, um zu kotzen.

Ich esse trotzdem:
2 Vaginalsemmeln mit Extrawurst, Käse und Gurkerl
Wasser aus Lili

Grüne Filterbienen

Es ist schon wieder passiert. Jemand ist böse auf mich, weil ich ihn auf der Strasse scheinbar absichtlich ignoriert habe. Es tut mir (naja) leid und ich kann es erklären:
Es passiert immer wieder, daß ich auf der Strasse an Leuten vorbeirenne, mit denen ich eigentlich täglich zu tun habe, ihnen ins Gesicht schaue und nicht reagiere. Ich tue das nicht absichtlich! Es ist so, daß ich in meinem Gehirn eine Art Filter installiert habe, der nur gewisse Dinge durchläßt bzw. sogar verändert. Oft geschieht es daher, daß ich zur Stoßzeit durch menschenleere Straßen wandele und in leeren U-Bahnen fahre. Dieser Filter funktioniert sogar so gut, daß ich, wenn ich in besonders häßlichen Teilen der Stadt bin, auf grünen Wiesen mit summenden Bienen herumhüpfe. Also kann es leicht passieren, daß auch Menschen weggefiltert werden, die ich vielleicht sogar gut leiden kann.
Also bitte, kostspieliger beschaffenheitskopierter Entlüfter, wenn du mich auf der Straße siehst und es dir wichtig ist, daß ich dich grüße, dann remple mich an, verpaß mir einen Fußtritt oder spuck mir ins Gesicht –
dann schaltet sich der Filter aus.

Ich esse:
2 Semmeln mit Farmerschinken, Käse und Gurkerl
1 Stange merci Pur – Mandel Sahne. Als Dankeschön, daß
du mir so schnell verzeihst.

Wie man durchkommt

A: „Gefällt dir Wien?“
m: „Ja. Wien ist eine sehr schöne Stadt!“
A: „Äh… aber die Leute?“
m: „Welche Leute?“

Ich esse heute wieder normal, kostspieliger
beschaffenheits-kopierter Entlüfter:
2 Semmeln mit Extrawurst, Edamer und Gurkerl
1 Sack Soletti (Salzstangerl) – nur 2.6% Fett
1 Apfel
1 Masterfoods-Snickers
Uuund: wohltuende Schlucke aus Lola – nach einer Woche.

Mahlzeit.