Vom Semmeltempel

Zumindest einmal im Monat muss ich der Semmel meiner Nachbarin dienen. Dieser Effekt wird durch den herannahenden Frühling noch verstärkt. Da habe ich vor meiner Nachbarins saftigen Spalte zu sitzen, ob ihrer göttlichen Macht zu staunen und der zuckenden Gottheit zu huldigen. Eine Gottheit jedoch, der ich nur zu gerne diene! Ja, ich bin sogar ein sehr eifriger Messner, der alles erdenkliche tut, um die Gottheit zu erfreuen. Rauchwaren und duftende Feuerwässerchen bringe ich dar, mit einem demütigen Buckel und gesenktem Blick wedle ich hechelnd mit dem Schwanz.
Doch die Gunst der Göttin ist nicht leicht zu erhalten. Sie quält mich und fordert immer mehr und mehr Opfer von mir… bis die erste himmlische Belohnung über meine sterbliche Hülle rieselt. Da spricht die Göttin:
„Und nun, du Nichts, nun darfst du am Tempel schnuppern…“
Und schon fahre ich in meiner religiösen Verzückung blindlings ins Verderben.
„Halt, du Narr! Von Anfassen hat niemand etwas gesagt! Unwürdiger!“
Dann stößt sie mich mit wütenden Blicken aus den Himmeln zurück auf die freudlose Erde. Alles beginnt erneut. Die Kämpfe um die göttliche Gunst.
Schließlich, wenn ich lange Zeit als Sklave der immerwährenden Geilheit brav gedient habe und mich keiner weiteren Sünden schuldig gemacht habe, ist es soweit. Dann kommt die ganze unendlichen Macht der Göttin über mich und ich mir wird der direkte Tempeldienst befohlen… dann drückt die verrückte Nachbarin mein Gesicht mit aller Kraft auf ihre Möse, umklammert mich derart mit ihren Beinen, dass ich glaube, mein letztes Stündlein hätte geschlagen… ist mir aber jedesmal scheißegal: orale Befriedigung mit anschließendem Genickbruch – gibt es einen schöneren Tod?
Doch seltsam. Wenn mir dann der Feigensenf übers Gesicht rinnt und ich beinahe bewußtlos versuche, etwas Luft zu erhaschen, schießen mir immer wieder die Worte meiner Mutter ins Gehirn: „Iss nicht so schnell, du wirst noch daran ersticken!“

Ich aas:
1 schwer beschädigten Punschkrapfen

Brot und Verderb

Seit einigen Tagen habe ich es wieder. Dieses Gefühl der Leere. Es wird immer stärker. Mir entzieht sich der Sinn meines Daseins nun vollkommen. Meine Handlungen verlieren Sinn, meine Nichthandlungen ebenso.
An solchen Tagen krame ich oft die Kiste, die unter meinem Bett verstaubt, hervor und spiele mit den alten Sachen. Da ziehe ich zum Beispiel den Sicherungsstift der Granaten raus, klemme mir die Dinger unter den Hals und gehe pinkeln. In solch riskanten Situationen merke ich dann noch am ehesten, wie sehr mir noch an diesem Leben liegt. Ich meine, es wäre so einfach! Eine kleine Zuckung mit dem Kopf, eine kleine falsche Bewegung nur, bewußt unabsichtlich oder unbewußt absichtlich oder durch einen kleinen schmerzhaften Stich beim Pinkeln verursacht, und es gäbe in Wien einen skurillen Todesfall mehr.
Gestern spazierte ich auf den nahen Weinberg. Die untergehende Sonne durchfuhr mich mit ihren ätzenden Strahlen, der Wind zerwutzelte unerbitterlich meine Haare und zwang die Wiese langgezogene Wellen zu schlagen. Doch rasch, zu rasch, wandelte sich die Welt. Bot sich mir gerade eben noch ein halbwegs annehmbares Bild der Realität, änderte sich plötzlich alles zu einem grausigen Schauspiel des Untergangs. Nicht mehr Wind und Sonne waren die treibende Kraft in der Natur, sondern eine Druckwelle aus Flammen und Müll. Ausgehend von irgendeinem aufgestossenen Höllentor im Südosten von Wien strömte Tod und Verderben über die Welt. Mir wurde schlecht. Daher ging ich nach Hause.
Und wie du siehst, ist noch etwas Lebenswille in mir. Denn ich sitze hier und schreibe dir, daß der Sicherungsstift nach dem Pinkeln wieder seinen Weg zurück in die Granate fand.

Ich aas:
1 Brot
1 Rotwein, der nach vier Tagen schon etwas säuerlich schmeckt.