Nachdem ich die Schule verlassen hatte, trampte ich ein bisschen herum. Längere Zeit hielt es mich nur in der Wachau, wo ich tagsüber etwas in den Weinbergen half und am Abend mit alten Knackern in der heilen Welt des Heurigen versumpfte.
Im Spätherbst bin ich in die große Stadt. Wien. Ohne Geld, ohne irgendwas, ohne nichts. Es war damals meine große Bob-Geldof-Phase, ich hatte mir Augenbrauen und Brustwarzen rasiert und enge Lederhosen an. Schnell lernte ich am Bahnhof ein paar herumlungernde Leute kennen und schloss mich ihnen an.
Der Winter wurde eisig kalt und zusammen fror es sich weniger stark. Wir waren zu viert. Zwei Mädchen, zwei Burschen. Das eine der Mädchen, ungefähr so alt wie ich, sprach kaum. Und wenn, dann konnte man sowieso nichts verstehen, denn sie kam aus einem fernen Land – wir wussten nicht einmal, aus welchem. Der Bursche und das andere der beiden Mädchen wohnten zusammen in einem abbruchreifen Haus irgendwo im Süden der Stadt. In der Wohnung gab es nichts außer ein paar flohverseuchter Matratzen. Das stumme Mädchen und ich durften bei ihnen wohnen.
Wir taten nichts anderes, als uns mit irgendwelchem Zeug zuzudröhnen und zu vögeln. Die anfängliche Einteilung, wer mit wem wo, löste sich rasch auf. Spät am Vormittag erst trieb uns der Hunger aus den Betten. Ein guter Platz, um etwas herumzustreunen, befand sich gleich am Grundstück daneben. Dort standen ein paar Baracken, die von Jugoslawen bewohnt waren. Sie hausten dort dichtgedrängt mit ihren dicken Frauen und ihren rotznäsigen Kindern. Manche schenkten uns ihre Essenreste, manche verprügelten uns. So vergingen die Tage. Immer auf der Suche nach etwas und auf der Flucht vor etwas. Am Abend fing dann alles von vorne an.
Irgendwann kam es zu Streitereien. Der Bursche begann davon zu schwafeln, was einen echten Punk ausmachte, wofür er lebte, wie er lebte und von Anarchie und totgeschissener Gesellschaft. Er färbte sich die Haare und ließ sie mit enormem Aufwand vom Kopf abstehen. Als seine Alte schwanger wurde und er solange auf sie eindrosch, bis sie das Kind verlor, erkannte ich, was er sich wirklich vorstellte. Ich zog weiter.
Die Gegend, in der wir damals zuhause waren, existiert nicht mehr. Alles plattgewalzt und eine neue Stadt, eine „schönere“, darauf errichtet. Der Bursche ist Automechaniker geworden, seine Freundin an einer Überdosis gestorben. Das stumme Mädchen traf ich fünfzehn Jahre später wieder.
Schlagwort: Wachau
Heurigenbeisser in der heilen Welt
Meine ganze Jugend verbrachte ich eigentlich beim Heurigen. Zuerst mit den Eltern, dann alleine. Früh habe ich schon gelernt, daß es noch eine heile Welt gibt, beim Heurigen. Dort, wo die Landschaft am schönsten ist, dort in der Wachau habe ich mir den Jamek doppelliterweise reingeschüttet.
Heute trinke ich den Musketier.
In Erinnerung daran esse ich:
1 Portion Heurigenbeiser, gebraten von Stastnik
1 Brot
1 Senf, englisch, der mir Stirnhöhlen und Augen reinigt.
1 Apferl
17. Juni 2005
Sehr interessant! Heute gibts 2 Semmeln mit Traditionsbeinschinken der Firma Berger, Käse und Gurkerl. Und 7 Marillen aus Spanien. Natürlich wären mir Marillen aus der alten Wachau lieber.
Ich kenne sie gut, denn lange Zeit bin ich dort herumgeirrt. Es existiert keine schönere Gegend auf Gottes Erde.
Kurt vom Schwimmbad und Siegfried haben ja in den gestrigen Kommentaren die Idee aufgebracht, eine Mittagessen-Live-Show zu veranstalten. Nun, ich habe an so etwas natürlich auch schon gedacht, da ich ja hoffe, mit meinem Mittagessen berühmt zu werden. In meinen nachmittäglichen Fieberträumen bin ich ein Fernsehkoch und -star, der täglich vor Millionen von Zuschauern Wurstsemmeln bastelt und dafür vergöttert wird.