Künstler unserer Zeit

Die geradzu extatische Verehrung, die man mir entgegenbringt, die sakrale Verzückung, der religiöse Wahnsinn, der um meine durchaus heilige Person aufgebaut wird, geht weiter.
Nachdem man meine Wandlung vom Bringer der Extrawurstsemmel zum  astralen Gott des Krapfens erkannt hat, tauchen bereits erste Ikonen auf. Meister Gimp, der erste meiner Jünger, der iBaptist, ist der angesagteste bildende Künstler unserer Zeit: Matla, der Krapfenheilige. Sehr treffend, Alter! Ein Platz an meiner Seite ist dir gewiss. Wenn du eingehst, auf Erden, wirst du danach in mein Krapfenreich einfahren. Auch du sollst verzehret werden.

Ich aas – aber schon am Freitag – meine heilige Kür:
1 Käsestangerl
1 Krapfen

Das Ende von Gurkerl und Senf

Gestern am Abend war der Waffenhändler meines Vertrauens bei mir. Er zeigte mir seine Frühjahrskollektion, etwas verspätet, aber doch. Er fragte mich:
„Warum wirst du überwacht, Matla?“
„Hängt wohl mit E.I.N.L.A.U.F. zusammen.“
„Jaja, Matla. Die Spatzen pfeifen es inzwischen von den Dächern… wir hätten niemals gedacht, dass du dich für so etwas hergibst.“
„Die im Rechenzentrum haben gesagt, dass mein Menschenhass groß genug ist und dass ich meine Fähigkeiten schon damals in Algerien unter Beweis gestellt habe.“
„Also willst du es wirklich durchziehen?“ Mein Waffenhändler kann es nicht glauben.
„Hm… andererseits…“, sagte ich, „wenn ich nicht rechtzeitig jedem österreichischem Bürger ein Rohr in den Arsch geschoben habe, muss der Staat eine Riesenstrafe an die EU-Schattenregierung bezahlen… das ist auch verlockend.“
„Warum nennt ihr das immer: ‚jemandem ein Rohr in den Arsch schieben‘?“
„Hehe. Witzig, was? So und nun verkauf mir ein paar deiner besten Waffen. Ich weiß nicht, was passiert, wenn sie spitzkriegen, dass ich den Staat UND seine Bürger zerstören will.“

Ich aas:
1 Leberkäsesemmel mit Gurkerl und Senf

Traumwandler

Gestern vorm Schlafengehen hab ich noch schnell eine Flasche Rotwein runtergegossen. Ich muss das tun, um friedlich und ruhig schlafen zu können….. hab da nämlich ein kleines Problem mit dem Schlaf: Träume. Meine Träume sind so lebhaft, dass ich manchmal Angst habe, Freddy Krueger, der Typ mit der Spaghettihaut, könnte Realität werden und mich, schlafend, killen.

Traum von vorgestern:
Ich war Mitarbeiter einer finnischen Trustgesellschaft. Finnische Trustgesellschaften sind Firmen, die von anderen Unternehmen angeheuert werden, wenn es Probleme mit der Belegschaft gibt. Denn einer finnischen Trustgesellschaft glauben und vertrauen alle Angestellten und Arbeiter dieser Welt. Ist nun mal so.
Meine finnische Trustgesellschaft wurde an diesem Tag jedenfalls in die Filiae eines großen Autoproduzenten geholt. Die Fließbandmannschaft streikte, was weiß ich, wegen unmoralischer Arbeitsumgebung oder sowas. Meine Kollegen und ich hielten ein kleines Meeting mit den Betreibern dieser Fabrik und entschlossen uns zu folgender Vorgehensweise: wir rissen ein Fenster aus dem Sitzungsraum und schickten damit eine Kolligin mit dickem Hintern in den streikenden Mob. Sie sprach zu den wütenden Männern: „Was schreit ihr hier herum? Seht ihr denn nicht, dass die da oben alles für euch tun? Es besteht Hoffnung!“
„Hoffnung? Die ist längst gestorben!“ Geschrei, Fackeln und Mistgabeln wurden gewetzt.
„Was gibt euch Hoffnung in der Nacht, wenn es dunkel ist und ihr verloren in der Landschaft steht?“, sagte die dicke Kollegin und hielt das mitgebrachte Fenster in die Höhe. Wir hatten einen Stern aufs Fensterglas gemalt.
„Die Sterne! Die geben euch Hoffnung! Und das habe ich euch mitgebracht, als Zeichen! Nun wird alles gut!“ Der Streik war beendet.

Traum von gestern:
Ich war Geheimpolizist. Hatte einen Radiergummi bei mir, der sehr wichtig war und niemand durfte ihn bekommen. Es war ein getarnter USB-Stick.
Etwas erschöpft von der Hitze lag ich in einem kleinen Hotelzimmer in einem arabischen Land auf dem Bett und überlegte, ob ich den Radiergummi in der Lampe oder über dem Türstock verstecken sollte. Ich entschied mich für den Türstock und schmiss mich wieder aufs Bett.
Auf einmal sprang die Tür auf! Zwei gefährliche Ninjafrauen hüpften in mein Zimmer – sie waren ganz in schwarz gehüllt und sie waren gut. Mein Gott, waren die gut! Sie wussten von meiner oralen Fixierung und die eine fragte mich stehenden Fußes: „Komm, willst du mich lecken?“ Sie hob ihren Rock und schon hechelte ich wie ein läufiges Hündchen zu ihr und versuchte aufgeregt ihre Muschi zu finden. Doch es war dunkel, ich konnte nichts sehen! Der Atem stockte mir, konnte mich nicht einmal mehr durch meinen Geruchssinn orientieren! Mir wurde schwindelig, begann Sternchen zu sehen…. schließlich kippte ich völlig benommen um, Sauerstoffmangel oder ein listiges Betäubungsmittel. Ich sah nur mehr durch einen Schleier aus Tränen, wie sie den Radiergummi vom Türstock nahmen und damit grinsend verschwanden. Dann verlor ich das Bewußtsein und wachte auf.

Ja  und so geht das schon mein ganzes Leben lang. Und ich habe auch eine Theorie dazu: ich glaube, die Zeit verläuft nicht horizontal, beginnt irgendwo und endet irgendwann, nein, die Zeit verläuft nämlich überhaupt gar nicht – ich stelle mir das eher vertikal vor! Es gibt keine Vergangenheit und schon gar keine Zukunft, sondern nur das JETZT. Und alles was einmal passiert ist und jemals passieren wird, geschieht ebenfalls JETZT… nur in einer anderen „Zeitschicht“… und meine Träume lassen mich zwischen den Schichten hinundherspringen…. verstehst du nicht? Scheiß drauf.

Ich aas:
1 Banane
1 Frühstücksfleisch
1 Brot
1 Toastkäse

Die Regeneration des Nacktmulls

Dieser Misthaufenblog steht diese Woche ganz im Zeichen des Koitus. Wir sprachen über Vorspiel und Nachspiel, nun folgt ein kleiner Exkurs in die Welt der sexuellen Regeneration.
Mein Schwanz nämlich verhielt sich nach dem ereignisvollen nachbarlichen Fick wie ein kleines Nacktmullbaby.

Gänzlich verängstlich und verrunzelt hatte sich mein Zumpferl im Nestchen aus struppigem Schamhaar verkrochen. Öffnete ich das Hosentor, zog es sich zitternd und winselnd noch weiter zurück, noch tiefer in den Körper, sodass nur mehr seine schlappe, leblose Haut da lag. Ich versuchte, es mit Streicheleinheiten aus seiner Höhle zu locken, es mit Gutzureden zu besänftigen und es mit Olivenöl zu laben. Vorerst ohne Erfolg.

Erst nach und nach kam wieder Leben in die Hose. Ja, die Zeit heilt alle Wunden. Heute morgen sah ich hoffnungslos ins Nestchen, doch siehe da! Da lag es wieder in all seiner Pracht! Einer jungen, kräftigen Schlange gleich, zuckend, hot, zischend und vibrierend. Stramm und gewunden wie ein feines Pariserkranzl.

Ich aas eben das:
1 feines Pariserkranzl

Gar nicht knorke!

Ich gehe im Kreis, habe nichts zu tun. Die hohe Zeit der Kugelschreiberbranche ist vorbei, ich weiß nicht, was ich mit der Zeit anfangen soll. Vieles würde mir einfallen, aber es kommt selten zum ersten Schritt. Rauchen, trinken, rauchen, trinken, rauchen, trinken. Musikhören, Gitarrespielen, Nasenbohren läßt den Tag vergehen, auch Internetbrowsen.

Was ich aas:
2 Brot mit Kümmelbraten
1 Paprika gelb

Was ich dachte:

Typische Wiener Analstimulation oder: Ich liebe Wien.

In der Nähe gibt es ein Elektrogeschäft. Wenn man es nicht besser wüßte, würde man meinen, das Geschäft wäre schon vor Jahren aufgelöst worden, so verkommen und leer sieht die Auslage aus. Traurig. Nur Insider schätzen das Geschäft, jedoch nicht wegen der großartigen und preiswerten Auswahl an elektronischen Geräten, sondern vielmehr wegen der steten geselligen Trinkgelage. Die Besitzer, Gitti und Wolferl, sind Stammgäste beim Brandinesa – ich kenne sie von dort recht gut – und mit der Zeit tagsüber zu einer nicht gern gesehen Konkurrenz des Wirten geworden. Hat man nämlich in unserem Grätzl während eines Arbeitstages nichts besseres zu tun, begibt man sich ins Elektrogeschäft und zieht sich ein paar Stamperl Schnaps ins Gehirn. Wovon Gitti und Wolferl leben ist mir ein Rätsel. Die feilgebotene Ware ist veraltet, schmutzig und wahrscheinlich schon lange kaputt. Doch EINEN Kunden haben sie, der regelmäßig dort einkauft. Und zwar mich.
Ich habe im Zimmer eine Lampe, mit Halogenleuchtstab. Sieht aus wie eine Arschspindel mit Gewinde, wie man sie bei Analstimulationen einsetzt. Nirgends gibts diesen Leuchtstab zu kaufen, nur bei Gitti und Wolferl. Und, leider, wird diese Halogenlampe zweimal im Jahr kaputt. Gestern war es wieder soweit und ich besuchte Gitti und Wolferl.

Matla betritt das Elektrofachgeschäft. Irgendetwas läutet.
Matla: „Morgen.“
Wolferl: „Ah, Matla. Magst was trinken?“
Matla: „Nein, ich brauche wieder meinen Halogenleuchtstab.“
Wolferl wird leicht nervös. Ein Kunde! Sofort sind wir per Sie.
Wolferl: „Welchen brauchen Sie denn?“
Matla: „Na den, den ich immer hier kaufe. Hier ist er.“ Matla überreicht den kaputten Leuchtstab.
Wolferl: „Hm, da steht keine Nummer drauf. Da kann ich Ihnen nicht helfen.“
Matla: „Wie meinst du das?“
Wolferl: „Naja, wie soll ich wissen, welche Lampe Sie brauchen, wenn da keine Nummer drauf steht? Wo haben Sie den gekauft?“
Matla: „Na, bei dir!“
Wolferl: „Nein, das glaub ich nicht. Bei uns steht immer eine Nummer drauf.“
Matla: „Doch, Wolferl. Hier habe ich ihn gekauft, genau hier bin ich gestanden…. letztes Jahr Weihnachten.“
Wolferl: „Nein, das gibt es nicht. Bei uns steht IMMER eine Nummer drauf.“
Matla: „Na gut. Wie viele Sorten gibt es denn?“
Wolferl: „Zwei. Zwei verschiedene Stärken.“
Matla: „Na, dann gib mir eine davon. Wird schon passen. War ja sonst auch nie ein Problem.“
Wolferl: „Nein, das geht. Da steht keine Nummer drauf.“
Matla: „Jetzt vergiss die Nummer. Gib mir eine davon.“
Wolferl: „Nein. Ohne Nummer, wie soll das gehen? Wo haben Sie die gekauft? Vielleicht sollten Sie es dort versuchen?“
Matla kratzt sich am Hals und reibt sich die Stirn.
Matla: „Gib mir jetzt so einen Scheißleuchtstab, Wolferl!“
Wolferl: „Nein.“
Matla: „Hearst, ich steck dir gleich das Ding in den…“
Gitti kommt.
Gitti: „Was ist hier los? Ah, Matla. Hallo.“
Wolferl: „Er will eine Lampe ohne Nummer.“
Gitti sieht sich die Lampe an.
Gitti: „Wo hast du die her, Matla?“
Matla: „Von euch. Gitti, bitte.“
Wolferl: „Nein, das glaub ich nicht. Da steht keine Nummer drauf.“
Gitti ignoriert Wolferl: „Ich glaub, ich hab das Passende für dich. Warte einen Moment.“
Gitti geht ins Lager. Wolferl schaut mich mit gerunzelter Stirn an. Wir sind wieder per Du.
Wolferl: „Also ich glaub nicht, dass du das bei uns gekauft hast.“
Matla schweigt und wartet auf Gitti. Gitti kommt und bringt den neuen Halogenleuchtstab.
Wolferl zu Gitti: „Ich glaub nicht, dass er das bei uns gekauft hat.“
Gitti ignoriert Wolferl: „Magst was trinken, Matla?“
Matla: „Du, lass uns unsere Beziehung nicht überstrapazieren. Ich gehe jetzt raus, schau mal kurz einkaufen und komme nachher wieder vorbei. OK?“

Ich aas:
2 Brot mit Topfen
1 Stück Käse

Das Leiden des jungen O.

Zusammengefahren bin ich, als wäre neben mir der Blitz eingeschlagen! Da sitze ich nichtsahnend auf einem Stapel alter Pornomagazine, rauche mit der Shisha etwas Dope und überlege gerade, ob ich den Montag mit Arbeit nutzen oder mit Alkohol vergessen soll, als ein Knall an der Wohnungstür meine sonnigen Frühlingsgehirnwellen ins Chaos stürzt.
Ich zuckte, mit der Zehenspitze trat ich dabei an die Wasserpfeife, die drohend zu wackeln begann. Die gerade erst richtig in Fahrt gekommene Kohle wäre schon fast auf die am Boden zerstreuten Zeitschriften gefallen, ein flammendes Inferno auszulösen. Ich konnte das Schicksal ändern, ich entkam dem feurigen Tod. Verwirrt sprang ich auf, rannte zur Tür, riss sie auf, egal was da kommen mochte! Und was sah ich? Du meine Güte! Ein liebes, süßes, kleines, ganz unschuldiges, zartes, zerbrechliches, blaues Osterei. Oh nein! Es war verletzt! Mit Tränen in den Augen hob ich es vorsichtig vom kalten Boden auf, trocknete vorher noch meine zittrigen Handflächen an meiner Unterhose ab, beschützte das kleine Ei vor der gausamen Welt. Ich führte meine Hände an den Mund, hauchte behutsam in die kleine Öffnung, die ich ließ, um es nicht unabsichtlich zu ersticken. Flüsterte dem Ei beruhigende Worte entgegen. „Schschschsch, kleines Ei. Brauchst keine Angst nicht haben, ich bin ja da. Jetzt wird alles gut.“
Ich sah, wie das kleine Osterei litt. Es hatte Schmerzen, mehrere Sprünge zogen sich auf einer Seite quer über seinen gesamten Körper.
„Ich werde dich abschälen und dir ein neues Zuhause bauen. Weißt du, ich hab unterm Bett etwas Gips.“
Um weiteres Leid zu vermeiden, entnahm ich dem kleinen blauen Ei die verletzte, zersprungene, kaputte Hülle.  Wie niedlich es mich ansah, das liebe Ei, aus dankbaren Augen! Ich stellte es auf einen Teller, mein Gott, das Arme! Es konnte kaum aufrecht stehen bleiben! Mit gemeinsamer Anstrengung schafften wir es aber schließlich doch noch. Wacker hielt es wie ein müder Wächter die Stellung!
Ich zündete mir eine Zigarette an, ohne das kleine blaue Ei aus den Augen zu lassen. Ich zog den Rauch tief in meine Lunge ein. Machten wir uns nichts vor. Es war so gut wie tot. Ohne schützende Hülle würde das Ei nicht lange überleben. Und ich konnte nicht immer da sein, um es zu behüten. Nein, das würde nicht gehen. Ich konnte mein Leben nicht für das Osterei aufgeben.
„Kleines Ei. Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?“, fragte ich das Ei, um es abzulenken und steckte ihm die brennende Zigarette in den Mund.
„Mach mal einen tiefen Zug, mein Kleiner.“
Das Ei wurde zuerst etwas grünlich, dann grau.
„Weißt du, ich will ehrlich sein zu dir. Es geht mit dir zu Ende.“
Ein erleichteter Seufzer. Das arme Ei! War es schon so weit, dass selbst die Nachricht des nahen Todes wie eine frohe Botschaft für es war? Ich nahm mir die Zigarette wieder und streichelte das Osterei zärtlich mit meinem Zeigefinger. Es sollte nichts von alldem mitbekommen, es würde schnell gehen.
„Ich verspreche dir eines. Ich werden den finden, der dich an meine Tür geworfen hat. Auch sein Kopf wird zerschellen!“
Prack! Meine flache Hand landete am Ei und zerquetschte es mit einem gekonnten Hieb! Rasend unerwartet, tödlich einfach.
Lebwohl, kleines Osterei.

Ich aas:
1 Krokodilsbirne
1 blaues Osterei
1 Brot

Ohne Geschlecht und trotzdem mit Kipferl

Hier bin ich wieder! Die Stimme des geschlechtslosen Herrschers aus dem Weltall!
Ich betone: geschlechtslos! Mir ist es egal, ob die Nachbarin mit mir redet oder nicht (ich bin dahintergekommen, daß sie ohnehin nur mit mir spricht, wenn sie ihre Tage hat)

Otto hat recht. Es ist Zeit, in See zu stechen. Kurz vorm Kollaps. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich heuer einen oder zwei Segeltörns veranstalte. Einer ist bereits fix. Im Herbst in Griechenland. Die Nachbarin, zwei Mädchen aus der Obenohnebar und ich. Ich betone: geschlechtslos!

Ich aas heute nur Frühstück in der Bäckerei:
1 Melange
1 Kipferl mit Butter

Die fünf Tode des Brunnens

Vor einigen Wochen berichtigte ich ja vom Abriss der alten Fabrik, die ich durch das Scheißhausfenster sehen kann. Nun, sie ist jetzt dem Erdboden ebenbürtig. Manchmal steige ich noch immer auf den Clodeckel, um den Arbeitern zuzusehen und siehe da! Seit gestern ereignen sich merkwürdige Dinge:
Anscheinend sind sie gerade dabei, das ganze Grundstück auszubaggern, um einen Keller bauen zu können. Gestern beobachtete ich, wie der Bagger kurz innehielt und die zwei Arbeiter, die sonst nur dem Bagger zuschauen, herbeigelaufen kamen, um sich über etwas zu wundern, das der Bagger gefunden hatte. Zuerst konnte ich nichts erkennen, aber dann schaufelte der Bagger eine größere Fläche um den Fund frei. Die Entdeckung sah aus, wie ein großer, gemauerter Brunnen. Den Durchmesser würde ich mal auf vier bis fünf Meter schätzen. Das Mauerwerk zeigt sich teils mit gepreßten Ziegelsteinen, doch teilweise auch mit wilden Felsbrocken. Dieser „Brunnen“, wenn es ein solcher überhaupt ist, hat jedoch keine Öffnung. Auf ihm drauf liegt ein gewaltiger flacher Granitblock, der scheinbar nur mit einfachem Werkzeug gerundet und geflacht worden ist!
Bis heute haben sie den Felsdeckel und den „Brunnen“ in Ruhe gelassen. Es waren bloß einige Leute hier und haben ihren Senf abgegeben. Jetzt gerade stehen auch ein paar Typen am „Brunnen“, die Arbeiter machen dem Bagger gerade einen riesigen Luftdruckhammer dran.
Jetzt wird’s spannend. Es gibt folgende Möglichkeiten:

  1. Es wurde das seit Jahrhunderten verschlossene Tor zur Hölle gefunden. Sobald der Granitblock bricht, strömt der Brodem des Teufels auf die Welt. Wien wird zur Außenstelle der Hölle.
  2. Die Arbeiter entdecken ein extraterrestrisches Artefakt, das von einem alten, aber sehr weisen Volk eingemauert wurde, um die Erde vor Schaden zu bewahren. Das Artefakt schaltet sich bei Kontakt mit Sonnenlicht ein und beginnt zu leben. Wien wird dem Erdboden gleichgemacht (warum auch immer).
  3. Hitler war tatsächlich im Besitz der Atombombe, konnte sie aber nicht mehr einsetzen! Der „Brunnen“ ist ein Raketensilo für diese Atombomben aus dem zweiten Weltkrieg. Felsenteile fallen auf den vermodernden Zündmechanismus und Wien explodiert.
  4. Wir haben das Böse aus den vergangenen Zeitaltern geweckt. Zu tief und zu gierig haben die Menschen gegraben. Ein Balrog, der angeblich von einem antiken Zauberer getötet worden war, lag die Jahrtausende bloß im Koma, erwacht jetzt auf Grund der tollen Wiener Luft und nimmt Rache an Mittelerde. Wien verbrennt.
  5. Der „Brunnen“ ist eine Art Tempel der Druiden, die damals in der Gegend um Wien wohnten. Dieser Tempel war das Zentrum eines alten Friedhofs. Wir, die dämlichen Wiener, entweihten ihn einst, weil wir eine Fabrik darauf gebaut haben, und entfachten so einen bösen Fluch. Die Massenselbstmorde, die unangenehmen Blähungen und die Geistererscheinungen in  meinem Wohnblock haben nun endlich eine Erklärung gefunden. Durch die Zerstörung des Tempels wird dem „Brunnen“ ein übelriechender, teuflischer, feuchter Materialfurz entfahren – der Fluch ist gebrochen. Die Vögel fallen vom Himmel, die Wiener ersticken, ich kann in Ruhe schlafen. (Und ich habe einen Ort gefunden, an dem ich die verschissene Katze der Nachbarin verscharren kann)

Ich aas:
3 Paradeiser
1 Kren
1 Sandwichgurken
1 Eckerlkäse
1 Kräuterkäse

Tot und Sein im Hause Ponthal

Weißt du, ich mag alte Familienfotos. Die schau ich immer besonders gern und lange an. Sieh dir mal das an:

Das ist ein Foto meiner Vorfahren. Von dort stamme ich väterlicherseits ab. Nicht einmal die Kinder leben mehr.
Wenn ich das Bild betrachte, die Kleidung der Leute, das Holz der Fassade, die Fenster, dann kommt mir alles so vertraut vor, obwohl ich nie auf diesem Hof gewesen bin. Mir ist, als würde ich genau wissen, wie es im Haus riecht, wissen, wie sich das Gewand der Menschen anfühlt, die Schuhe. Ich kenne ihre Sorgen, es ist kühl, unfreundlich draußen, der Boden matschig, mir hängt der Rotz aus der Nase, die Schule interessiert mich einen Scheißdreck.
Ich bin ein Teil von ihnen.

Oder sieh dir das Bild an:

Anscheinend eine Hochzeit – alle tot.
Mein Blick schweift über die Gesichter dieser Menschen, ich versuche, ihre Gedanken und Gefühlsregungen zu erahnen. War die Frau links hinten, die das Glas hebt, eine Stimmungskanone? Schaut der Bräutigam so verzwickt aus der Wäsche, weil er an die Hochzeitsnacht denkt? Oder wollte er eher die Frau  heiraten, die hinter ihm steht? Ist er betrunken? Sind die beiden Männer neben dem Bräutigam seine Väter? Was für hübsche Bärte sie haben!

Ein etwas neueres Bild:

Noch nicht alle tot.
Kinder aller Arten. Fröhlich, schlimm, rachitisch, hoffnungsvoll, lebending, von Rückschlägen gezeichnet.

Was mich so fasziniert an solchen Fotos ist die Tatsache, daß sie einen ganz kurzen und bestimmten Ausschnitt der Geschichte darstellen. Für uns bloß ein Foto, für die Menschen damals, das JETZT. Alles auf diesen Fotos hatte seine Ursache, seinen Grund. Jeder Grashalm, jedes Haar, jedes Fältchen, Grübchen, Blick, alles war wichtig und ist nun verloren – und doch die Grundlage für JETZT.

Ich aas – und auch meine Mittagessenfotos werden eines Tages jemanden genauso faszinieren:
1 Brot
1 Käse
1 Wiener Gabelbissen
1 Kronprinz Rudolf

…. wenn sie nur nicht dauernd in der Luft hängen bleiben würden, verdammtes Handy ….