Die Angst, die einen am Montag befallen kann

Da ich von Samstag auf Sonntag durchgesoffen habe, bin ich gestern schon vor Mitternacht schlafen gegangen.
Die Wirkung ist enorm! Wie auf einer Wolke bin ich in die Anstalt geschwebt, spürte keine schmerzenden Knochen, Muskeln. Ich kam mir wie ein Geist vor, der unerkannt zwischen den Sterblichen wandelt.
Erst als ich in der Zelle angekommen war und gerade meinen erotischen Emailverkehr abhandelte, nahm ein physisch stabiles Wesen mit mir Kontakt auf. Ein Typ in Anzug und Krawatte stand plötzlich neben mir und bewegte seinen Mund… durch den er scheinbar Luft strömen ließ, um Luftteilchen in Schwingung zu versetzen. Ich erstarrte in meinen Bewegungen und sah in an. Bevor ich noch sagen konnte, dass ich kein Wort von dem verstanden hatte, was er gerade von sich gegeben hatte, machte er große Augen, und rannte davon. „Ich komm später wieder!“, rief er mir noch von draußen zu.
Etwas später fand ich einen Zettel auf meiner Werkbank: „Tut mir leid, sie so erschreckt zu haben! Tut mir wirklich, wirklich leid.“

Ich aas:
1 Gustobaguette
1 Apfel

Kaputt!

Ich habe ihnen gestern in der Anstalt gesagt, dass ich nur bis September bleibe. Weil ich es nicht aushalte. Mich macht die Bürohockerei kaputt. Kaputt!
Zunehmend ist mein Geist nur noch tagsüber in der Zelle wach, am Abend hocke ich herum, ohne zu denken. Und ich habe begonnen, regelmäßig zu fernsehen. So kann das nicht weitergehen, komme, was wolle. Das Leben ist zu kurz, um es mit Arbeit zu verschwenden. Der Hauptakt muss anders aussehen.

Ich aas:
1 Krapferl – das eingesperrt im Sackerl liegt und, obwohl täglich frisch, jeden Tag lahmer schmeckt. So wie ich selbst.

Die gestiefelte Feuerskatze

Gestern wäre in der Anstalt aus einer Übung beinahe ein Massaker geworden. Es gab Probefeueralarm und alle wußten, dass es Probefeueralarm ist. Niemand reagierte. Ein paar schauten mit gerunzelter Stirn auf die Uhr, andere seufzten genervt. Wenn ich mich nicht täusche, hat der eine im Eck sogar verächtlich gefurzt.
Aber dann passierte etwas, womit keiner gerechnet hatte. Die Kollegin, vor der alle Angst haben, ist die Feuerbeauftragte! Mein Gott! Sie kam wie der Teufel persönlich aus ihrer Zelle geschossen, mit gelber Jacke, Verbandszeug und anderen Utensilien. In der Hand hatte sie etwas, mit dem sie die ganze Zeit wie wild herumfuchtelte. Niemand konnte erkennen, was es genau war. Eine Reitgerte? Ein Elektroschocker?
„Feuer!“, schrie sie, „Feuer! Aufstehen ihr faulen Ärsche! Raus aus dem Büro!“
Da kam ordentlich Leben in unsere geschlossene Gesellschaft. Als die Kollegin, vor der alle Angst haben, in unserer Tür stand, machte sich sogar etwas Panik breit. Wir mußten raus, aber da stand ja der Feuerteufel in unserer Tür! Der labile Kollege machte in seinem Irrsinn eine Kehrtwendung und wollte aus dem Fenster springen. Wir mussten ihn zurückhalten. Zum Glück wurde die Kollegin, vor der alle Angst haben, abgelenkt. Sie schrie in den Gang: „Aufhören zu reden da  hinten! Sonst komm ich euch! In Zweierreihen, verdammte Scheiße!“ Dann stiefelte sie ganz weg. Wir dachten schon, Schmerzensschreie zwischen den trommelfellzereissenden Tönen der Alarmanlage zu hören. Und waren das nicht Rauchschwaden, die sich da am Boden zogen?
Naja, letztendlich sind wir alle unten auf der Strasse angekommen. Nur ein Kollege, der vom Feuerteufel dabei erwischt wurde, wie er mit dem Lift fahren wollte, wurde nicht mehr gesehen.

Ich aas:
1 französisches Laugenstangerl vom Anker
1 Krapfen vom Anker

Wohner, Arsch und Küchenleute

Die letzte Woche konnte ich nicht für dich da sein, armer Spatz. War vom E.I.N.L.A.U.F. zu sehr abgelenkt. In der Anstalt, jaja.
Weißt du, die schlimmsten Typen in einer Anstalt sind die „Büroküchenleute“. Wenn die in der Küche sind, Mann! Dann sieh zu, dass du woanders dein Häferl herbekommst. Wie die Geier lauern sie neben dem Scheißgeschirrspüler und wehe, wenn du das verdreckte Scheißgeschirr nicht in den Scheißgeschirrspüler stellst! Dann halten sie dir Vorträge! Ob ich das zu Hause auch mache usw… wenn der wüßte, wie’s bei mir ausschaut!
Diese Büroküchentypen gehören meistens zu denen, die im Büro wohnen. Die „Bürowohner“ sind Tiere, die schon aufgegeben haben zu glauben, dass es noch ein Leben außerhalb der Zellen gibt. Ihre Schreibtische sind mit Blumen, Fotos, Andenken, sauberem Geschirr, der halben Wohnung dekoriert, die rennen mit Puckel, Strickwesten und Lederhauspatschen auf und ab, blasses Gesicht.
Ich selbst gehöre zum Typ „Büroarsch“. Das sind die, die keiner mag. Unsympathisch, schlecht gelaunt. Die stehen bei allem was passiert im Hintergrund  herum und meckern. Wissen, dass ohnehin jedes Schalten und Walten umsonst ist.

Es gibt noch mehr Bürotypen, aber für Montag reichts.
Die letzte Woche aas ich:
Diverses

Der Busch in der Matrix

Wenn alles wie am Schnürchen läuft, ist das ein Hinweis, dass die Matrix gegen Feinde von Innen zu kämpfen hat. Sie kann sich keine neuen Reibereien leisten, darum schmiert sie uns Honig ums Maul.
Gestern hock ich in der Anstalt, nichts zu tun, jede Stunde kommt mir bloß wie eine Minute vor, da fährt der Empfangsroboter wieder mit seinem scheppernden Essenswagen vom Sitzungssaal raus. Ohne etwas gesagt zu haben blieb er vor meiner Zelle stehen und stellt mir eine offene Flasche Rotwein und ein Glas auf den Tisch.
„Matla, wenn du dann noch Wein willst, hol dir einfach noch was aus dem Schrank. Wir haben da grad einen guten Jahrgang drin.“
Ich sehe mich verdutzt um, die Zellengenossen zwinkern mir zustimmend zu. Der vorarlbergerische Liechtensteiner aus der Schweiz sagt nur: „Hascht heute wiedr einen Glückschtag, odr?“ Der Oberandroide kommt rein, sieht, wie ich grad einen beherzten Schluck aus der Flasch ziehe und klopft mir lachend auf die Schulter.
Später läutet das Telefon. Der Empfangsroboter: „Der Kaffee ist fertig, Matla, ich bring in dir rüber, wenns dir jetzt recht ist.“ Da ist was im Busch.

Ich aas gaaaaaaaanz vorsichtig:
1 belegtes Brot mit Ei und Schinken vom Anker
1 Krapfen vom Anker

Nicht das Schlechteste

Na die neue Anstalt ist nicht die schlechteste aller Anstalten. Bin erst seit drei Wochen dort und schon vier Mal leicht angetrunken hinausgegangen. Ist nämlich so: meine Zelle befindet sich irgendwo auf dem Weg zwischen Vorratsräumen und Sitzungssaal. Der Empfangsroboter, den ich mir bereits angelacht habe, rollt da jeden Tag auf einem scheppernden Metallwagen mehrmals massig Kaffee, Brötchen und Wein auf und ab. Alles was die Herren in den Sitzungssälen nicht verprassen, dürfen dann die Anstaltsinsassen in aller Demut essen und trinken. Der Empfangsroboter weiß schon, wenn Wein übrig bliebt, dann ist meine Zelle die erste Anlaufstelle für sie, Glas brauch ich keins. Die Reste der Kekse und Brote darf sie meinetwegen unter dem Fußvolk verteilen.

Ich aas – gestern war Mittwoch und Mittwoch ist Schnitzeltag:
1 Suppe mit Leberreis
1 Schnitzel mit Kartoffelsalat

In der neuen Anstalt

Meine Welt gerät aus den Fugen. Die letzte Woche war noch in Ordnung. Ich lungerte daham herum, öffnete erst nach Sonnenaufgang die Augen und wenn es die Nachbarin wagte, mich bei Dunkelheit zu wecken, murmelte ich nur: „Greif mich noch einmal an und ich bring dich um. Ich schwörs dir.“. Und schlief seelenruhig weiter. Ja, eine herrliche Zeit.

Nun ist alles anders. Die nächsten Monate werde ich in einer neuen Anstalt verbringen, seit gestern – ich weiß noch nicht, worums geht. Die Räumlichkeiten und die Ausstattung sind nicht mehr so unmenschlich wie im Rattenloch, doch wo der Haken ist, muss ich erst herausfinden.
Gestern wurde ich in dieser neuen Anstalt gezwungen die „Kollegen“ kennen zu lernen. Ich murrte nur: „Muss das sein?“ Ein Ostling, ein lichtensteiner Vorarlberger aus der Schweiz und steirischer Apfelbaum. Drei an der Zahl, drei (sic!), die mit mir in einer Zelle sitzen. Ich weiß nicht, wie lange ich das durchhalte.

Gestern aas ich ein Menü in einer feinen billigen Gaststube:
1 Rahmcremesuppe
1 Letschokotelett

Ich war so von dem Riesenarsch der Kellnerin abgelenkt, dass ich auf das Foto vergessen habe. Vielleicht gehe ich da heute wieder hin.

Verhackertes im Frühling

Wie die letzten Zuckungen einer dem Untergang geweihten Sonne quetschten sich ein paar jämmerliche Strahlen durch die düsteren Wolken, als ich die staubige Strasse entlang ging. Ein ausgehungerter Vogel saß frierend auf einem dürren Ast und pfiff mir das Lied vom Tod. Heulend fuhr ein eisiger Wind mir durchs knackende Gebein. Der alte Bäcker kam mir entgegen, er grinste wie ein auf Aas lauernder Geier, sein Goldzahn blendete mich. „Grüß Gott!“, rief er und dachte sich: „Der Teufel soll dich holen.“
Ja, heute türmen sich die Häuserfronten bedrohlicher und enger denn je neben mir auf. Der Feinstaub des scheintoten Winters frißt sich durch meine Lungenflügel, auf der mühevollen Suche nach saftigen, gesunden Zellen – ich versuche mit den kläglichen Resten der ausgebrannten Tschick zu retten, was zu retten noch ist. Bei jedem Windstoß verliere ich einen Büschel Haare, Tränen sind das einzig Lebendige in meinem Gesicht. Ich kann nicht anders, ich denke an zerhackte Leiber, überfahrene Frösche, blutige Leichen, abgehackte Köpfe und zuckende Gedärme. Der Frühling wird sie nicht retten.

Ich aas:

Von der Leichtigkeit des Kuchens

Ich hocke im Rattenloch und erfreue mich des Lebens. Admiral Kuckkuck tänzelt summend und lachend im Zimmer herum, während ich mir den iPod auf den Kopf geschnallt habe und mir lustige Musik reinziehe. Obwohl der Kuckkuck etwas blad ist, tanzt er wie eine kleine Fee. Drehungen auf einem Holzbein sind für ihn kein Problem.
Ein Neuer sitzt auch in der Zelle. Der schaut mich manchmal ziemlich sauer an. Wahrscheinlich mag er es nicht, wenn ich mit Admiral Kuckkuck rede.
Ja, übrigens kann ich deine Bedenken ein für allemal beseitigen. Um jeglichen Peinlichkeiten vorzubeugen, habe ich nämlich den Admiral gefragt, ob er den Neuen sehen kann.
„Ja, natürlich, mein lieber Matla!“ Also du siehst, alles klar. Der Neue ist echt.
Vor einer Stunde hatte ich eine Phase, in der mich die Musik in meinen Ohren regelrecht mitriß! Im Takt der Musik öffnete und schloß ich den Reißverschluß meiner Hose. Der Admiral und ich haben sehr gelacht. Sogar ein echter Lachkrampf war drin, als sich ein Büschel Schamhaare im Hosentor verhedderte. Der Neue hat den Raum verlassen.
WOW! Ja, ich bin gut drauf! So richtig euphorisch! Am liebsten würde ich den Monitor vom Tisch reißen und versuchen, ihn mit viel Schwung durch das Panzerglas zu werfen. Oder mit der Tastatur die Glatze des Neuen polieren. Weißt du, solche Sachen. Doch Admiral Kuckkuck nimmt mir die zu werfenden Dinger immer wieder aus der Hand und dreht sich ein paar Mal mit mir im Kreis herum. Das ist ein Spaß!

Ich aas:
1 Teller mit weißen Würfeln und Senf
1 Gebäck
1 Apferl
1 Kaffee
1 kleinen Kuchen

Der Marsch der Nudeln

Mittlerweile begleitet mich Admiral Kuckkuck ständig, wenn ich im Rattenloch bin. Ich hab mich an seine permanente Anwesenheit gewöhnt. Hole ich mir Kaffee, watschelt er mir hinten nach, bin ich beim Essen, hockt er neben mir und sieht mir ganz fasziniert zu, wie ich mir Bissen für Bissen ins Maul stopfe. Er selbst isst und trinkt nichts. Admiral Kuckkuck spricht auch nicht mit anderen Menschen und niemand scheint ihn zu kennen oder gar zu beachten.
Heute in der Cantina fragte ich ihn, warum er eigentlich in meine Zelle versetzt worden ist. Er erzählte, ihn habe das Grau seiner alten Zelle so depremiert, daß er den Entschluss fasste, die Wände rot anzumalen. So kam er eines Tages mit Farbe und Ausmalrolle ins Rattenloch, wurde jedoch vom Hausmeisterandroiden überrascht und fast mit Gewalt dazu gezwungen, die Malerei zu beenden. Man beschlagnahmte seine Zelle und unterziehe sie nun einer Generalsanierung.
Alsbald verließen wir die Cantina und ich sprach Admiral Kuckkuck wegen dieser Geschichte meine Bewunderung aus. Doch unsere Unterhaltung wurde jäh durch den Marsch einiger Frauen unterbrochen, die mit Füßen, die so dick wie Stämme von Mammutbäumen zu sein schienen, vor uns einhergingen. Wir verlangsamten unsere Schritte, um nicht durch herabfallende Möbelteile erschlagen zu werden, als mir der Schwuchteltest von desertmum einfiel. Möglichst unvoreingenommen fragte ich den Admiral, ob er wohl meinen Schlauch halten wolle. Er sah mich ganz verdutzt an und sagte:
„Welchen Schlauch?“
Ich wollte den Test möglichst authentisch durchführen und fragte noch einmal:
„Würden Sie meinen Schlauch halten wollen?“
„Ja wo ist er denn, mein lieber Matla? Welchen Schlauch meinen Sie?“
„Vergessen Sie es“, antwortete ich, steckte meine Hände in die Hosentasche und hielt meinen Schlauch selbst.

Ich aas:
1 Teller mit den Resten der letzten Woche – es war beschissen
1 Schüssel mit Gras
1 Schokomuffin – er war besser
1 kleiner Brauner